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  Vergesst Star Wars. Kolonialkrieg ist angesagt

Eric Margolis

In den Lagern im Pentagon herrscht große Unzufriedenheit. US-Verteidigungsminister Robert Gates hat in der letzten Woche ein widersprüchliches neues Budget präsentiert, das den Kurs der Außen- und Militärpolitik der Vereinigten Staaten von Amerika in den nächsten Jahrzehnten beeinflussen wird. Wütende Debatten über Zukunft und Aufgaben der US-Militärkräfte gibt es im Pentagon seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion.

Die Spaltung im Pentagon verläuft entlang der Frage, ob das Militär der Vereinigten Staaten von Amerika gestaltet werden soll, um konventionelle Kriege gegen Russland und China zu führen, oder ob es umgewandelt werden soll in eine bewegliche Kraft zum Kampf gegen Guerillas in der Dritten Welt.

Beide, Bush und Obama haben das Pentagon zur zweiten Variante gedrängt durch die Aufstockung der Kräfte und den Einsatz neuer Ausrüstung in Irak und Afghanistan. Aber viele Generäle und Admiräle haben sich hartnäckig Einschnitten in die konventionellen Kräfte der Vereinigten Staaten von Amerika widersetzt.

In der vergangenen Woche setzte US-Verteidigungsminister Robert Gates dieser Debatte ein Ende. Gates´ neu verkündetes Verteidigungsbudget macht klar, das Amerikas militärische Zukunft darin liegt, was das Pentagon „Expeditionskrieg“ oder „Aufständischenbekämpfung“ nennt. Es ist klar, dass diese hauptsächlich in der muslimischen Welt stattfinden werden.

Die Briten, die weniger zu Euphemismen neigen als die Amerikaner, pflegten ihre Operationen in weiter Entfernung gegen widerspenstige Eingeborene als „Kolonialkriege“ oder „Kleine Kriege“ zu bezeichnen.

Die Armee des britischen Reiches, die ausgebildet war für den Kampf gegen leichtbewaffnete Zulu, Derwische und Afghanen, stieß allerdings 1914 auf die moderne kaiserliche deutsche Armee und erlitt ein Blutbad. Weder die britischen Generäle noch die Soldaten waren auf die Schrecken der modernen Kriegsführung vorbereitet. 

Während Gates mit seinem dicken Stock drohte und alle ungezogenen Muslime warnte, spielte Präsident Barack Obama auf seinem Besuch in der Türkei den guten Polizisten und bot die „Hand der Freundschaft“ eben der muslimischen Welt an, für die der Minister Gates den Einsatz von mehr US-Truppen und Predator Killerdrohnen plante. Diese Ironie ging in den US-Medien völlig unter.

Obwohl das Defizit der Vereinigten Staaten von Amerika im ersten Halbjahr 2008 eine atemberaubende Billion US$ erreichte, werden die Militärausgaben um 4% steigen. Die Kriege gegen Afghanistan und Irak allein werden heuer US$ 200 Milliarden verschlingen.

So viel zu Obamas versprochener Sparsamkeit der Regierung. Pflugscharen werden zu Schwertern geschmiedet werden. Kongressabgeordnete und Lobbyisten werden aufjaulen, wenn einige größere Waffenprogramme auslaufen, aber unter dem Strich wird der militärisch-industrielle Komplex der Vereinigten Staaten von Amerika nicht zu kurz kommen.

Die Unterstützung der Kriege gegen Afghanistan und Irak genießt jetzt Priorität im Pentagon. Fünfzig weitere tödliche Predator und Reaper Drohnen werden angeschafft. Sie sind das beliebteste Werkzeug des Pentagon, um Feinde in Pakistan und Afghanistan „herauszuklauben“, natürlich nicht ohne zivile „Kollateralschäden.“ Der britische Autor George Orwell nannte den Gebrauch solcher Euphemismen „Mord respektabel machen“.

Mehr Spezialkräfte und hochentwickelte Sensoren zu Boden und in der Luft zum Aufspüren von „Terroristen“ und „Insurgenten“ (das sind die, die sich der Herrschaft der Vereinigten Staaten von Amerika widersetzen) werden zum Einsatz kommen. Über 500 vielfältig einsetzbare F-35 Kampfflugzeuge werden angekauft. Die Produktion der großartigen Stealth F-22 (Tarnkappenbomber) zum Stückpreis von US$ 140 Millionen wird demnächst nach 187 Einheiten eingestellt werden. Das hat die Israelis erschreckt, die die Anschaffung von F-22s geplant hatten. Politischer Druck könnte also die Produktion der F-22 aufrecht erhalten, um die israelische Bestellung ausliefern zu können.

Die Armee verliert schwere Kampffahrzeuge, Artillerie und Antiraketensysteme. Die US-Marine verliert einen ihrer elf Flugzeugträger und einige geplante HighTech-Zerstörer. Für seichte Küstengewässer geeignete Kampfschiffe für Operationen im Golf und der Dritten Welt werden hinzukommen. Dreizehn Milliarden Dollar für vergoldete Präsidentenhubschrauber, würdig eines imperialen Herrschers, wurden vernünftigerweise zurückgestellt.

Diese Neuorientierungen bei den Militärausgaben zeigen klar, dass die Regierung Obama die Strategie eines langen Krieges in Afghanistan, Irak, vielleicht Somalia und in weiterer Zukunft in anderen Brennpunkten in der Dritten Welt in der Nähe bedeutender Ölvorkommen verfolgen will. Präsident Bushs so genannter „Krieg gegen den Terror“ kostete den Steuerzahler US$ 808 Milliarden. Obama hat diesen in „Einsätze in Übersee“ umbenannt, sonst aber scheint er Bushs Spuren zu folgen.

Die erhitzte Debatte im Pentagon – und das Rollen der Köpfe einiger höherer Generale wie z.B. des ehemaligen Generalstabschefs der Luftwaffe Michael Moseley – wurden verursacht durch Bedenken, dass die Umorientierung des Militärs der Vereinigten Staaten von Amerika auf die Bekämpfung von „Insurgenten“ in der muslimischen Welt die nationale Verteidigung untergraben werde und die Fähigkeit Amerikas, zukünftige Kriege gegen andere große Mächte wie China, Russland oder auch Indien und Europa zu führen.

Die Stationierung eines US-Soldaten in Afghanistan kostet US$ 330.000 im Jahr. Das Militär der Vereinigten Staaten von Amerika war seit 17 Jahren in verschiedene Konflikte auf aller Welt verwickelt: ein großer Teil seiner Ausrüstung ist schwer in Mitleidenschaft gezogen. Das Durchschnittsalter von Kampfflugzeugen der US-Luftwaffe beträgt 24 Jahre. Die KC-135 Tankflugzeuge der USAF, die Langstreckeneinsätze ermöglichen, sind im Durchschnitt 47 Jahre alt. 

Die Kriege gegen Irak und Afghanistan haben die Luftwaffe und Marine der Vereinigten Staaten von Amerika abgenutzt: der Ersatz von Ausrüstung allein für Operationen in Irak wird auf über US$ 60 Milliarden geschätzt.

Inzwischen bereitet sich Russland auf kleine Kriege an seinen ausgefransten Grenzen vor, hält aber weiterhin an einer beachtlichen militärischen Kampfkraft fest. China und Indien sind stetig dabei, ihre bewaffneten Kräfte zu modernisieren.

Die Flugzeugträger der US-Marine, der Schlüssel zur strategischen Machtausweitung, sind jetzt durch drei neue Waffen ernsthaft gefährdet. Die verbesserte chinesische DF-21 Rakete mit 2.000 km Reichweite kann auf Flugzeugträger gesteuert werden per Radar, Satelliten und Drohnen; Russlands 300 kmh schneller raketengetriebener Torpedo, der sich in einer selbstgenerierten Luftkapsel fortbewegt; und die russisch-indische Überschall-Antischiff-Rakete BrahMos mit 300 km Reichweite. Sie alle machen US-Flugzeugträger zu lahmen Enten. 

Es braucht Jahrzehnte, um neue Waffensysteme zu bestellen und zum Einsatz zu bringen. Die Regierung Obama hat jetzt das Militär der Vereinigten Staaten von Amerika auf einen Kurs festgelegt, der nicht schnell gewechselt werden kann, wenn neue strategische Bedrohungen auftauchen.  

 
     
  Copyright © 2009 Eric Margolis   
  erschienen am 13.04.2009 auf > http://www.ericmargolis.com/ > http://www.ericmargolis.com/political_commentaries/forget-star-wars-its-back-to-colonial-warfare.aspx  
     
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