HOME     INHALT     INFO     LINKS     ARCHIV     KONTAKT
 
     
  Amerikas Schande

Eric S. Margolis

Staaten, die foltern, schänden sich selbst. Bewaffnete Kräfte und Polizei, die foltern, werden unweigerlich verroht und korrupt. ‚Eingeschränkter’ Gebrauch von Folter wird schnell allgemein üblich. Durch Folter gewonnene ‚Information’ ist in den meisten Fällen unzuverlässig.

Diese Wahrheiten lernte ich kennen in über fünfzig Jahren, in denen ich über dreckige ‚Befriedungs’-Kriege berichtete, von Algerien bis Indochina, Zentral- und Südamerika, Südafrika, Nahost, Afghanistan und Kaschmir, wo Folter allgemein in Gebrauch war.

Trotz aller geschichtlichen Beweise, dass Folter kontraproduktiv ist, förderte die Regierung Bush die Folterung von antiamerikanischen Militanten (so genannten ‚Terroristen’) nach den Angriffen des 9/11. Die ganze Geschichte ist noch nicht enthüllt worden, aber was wir bisher wissen ist abscheuerregend und beschämend. Das Vereinigte Königreich und Kanada waren auch beteiligt, indem sie durch Folter gewonnene Informationen nutzten und Verdächtige auslieferten, damit sie gefoltert wurden.  

Viele Amerikaner und Menschenrechtsgruppen fordern jetzt, dass die Beamten der Bush-Regierung, die Folter angewendet und genehmigt haben, vor Gericht gestellt werden müssen. Präsident Barack Obama ließ durchblicken, dass sein neuer Justizminister Eric Holder die hässliche Angelegenheit untersuchen könnte. Das Weiße Haus Obamas will sich allerdings ganz klar vor diesem Thema drücken. 

Republikaner, die amerikanischen Meister in Krieg und Folter stellen sich heftig jeglicher Untersuchung in den Weg und loben den Nutzen der Folter. Gerade als es schien, als könnte die verblödete republikanische Redneck-Partei unmöglich noch tiefer sinken, schaffte sie das, indem sie Folter als amerikanischen Weg anerkannte.  

Nicht anders auch einige höhere Beamte des Geheimdienstes und des Pentagons, einschließlich, bestürzend, Obamas neuer CIA-Chef Leon Panetta. Er sollte es besser wissen. Viele Demokraten im Kongress, die Folter billigten oder nichts unternahmen, um ihr Einhalt zu gebieten, sind gleichermaßen kaum bereit, weitere Untersuchungen im Folterskandal durchzuführen.

Folter ist ein Verbrechen nach dem Recht der Vereinigten Staaten von Amerika. Sie ist ein Verbrechen nach der Dritten Genfer Konvention und nach der Anti-Folter-Konvention der UNO, beide unterzeichnet von den Vereinigten Staaten von Amerika. Entführung und Überstellung von Verdächtigen zwecks Folterung in andere Länder ist ein Verbrechen. Folter verstößt gegen zentrale amerikanische Werte.

1945 hängten die Vereinigten Staaten von Amerika japanische Offiziere, weil sie U.S.-Gefangene der Wasserfolter (‚Waterboarding’ – simuliertes Ertrinken) unterzogen hatten, was als Kriegsverbrechen gewertet wurde. Genau dasselbe hat die CIA mit ihren muslimischen Gefangenen gemacht. Zu Recht weigerten sich FBI-Agenten, sich an der Folterung von al-Qaida-Verdächtigen zu beteiligen und machten darauf aufmerksam, dass diese gegen das Recht der Vereinigten Staaten von Amerika verstoße und sie selbst zum Gegenstand zukünftiger Strafverfolgung machen könnte. 

Republikaner und sogar Obamas Geheimdienstchef Admiral Dennis Blair behaupten, dass durch Folter einige nützliche Information gewonnen worden sei. Das hängt davon ab, was man als nützlich bezeichnet. Al-Qaida ist noch immer aktiv. Osama bin Laden ist noch immer nicht gefasst. Irak und Afghanistan sind zu gewaltigen Fiaskos geworden, die eine Billion Dollars verschlungen haben. U.S.-Soldaten und Geheimdienstleute, die in feindliche Hände fallen, können jetzt ähnliche Foltern erwarten.

2004 berichtete der Generalinspektor der CIA, es gebe keinen Beweis dafür, dass der Gebrauch der Folter ‚besondere bevorstehende Angriffe’ vereitelt habe. Das steht in einem vor kurzem frei gegebenen Gutachten des Justizministeriums.

Auch der Direktor des FBI Robert Muller, einer von Washingtons integersten, respektiertesten Beamten erklärte, dass Folter keinerlei Angriffe gegen die Vereinigten Staaten von Amerika verhindert habe. Beide Aussagen widersprechen direkt Behauptungen von Amerikas Torquemada Dick Cheney, dass Folter größere Angriffe vereitelt habe.

Folter schützte Amerika nicht vor einem zweiten größeren Angriff, wie Republikaner behaupten. In der Tat hat es den Anschein, als wäre 9/11 ein einmaliges Ereignis und al-Qaida bestehe aus einer Handvoll Extremisten und sei nicht das weltweite verschwörerische Netzwerk, wie das Weiße Haus behauptete, nachdem es auf dem Wachtposten schlafend erwischt worden war. Die Behauptungen der Regierung Bush betreffend unmittelbar bevorstehende Bedrohungen durch schmutzige Bomben und biologische Waffen wie Anthrax waren unwahr.

Die ‚nützliche’ Folterinformation der CIA stammte von zwei Verdächtigen: Khalid Sheik Mohammed wurde der Wasserfolter 183-mal unterzogen – sechsmal täglich einen Monat lang; und Abu Zubaydah 83-mal im August 2003. 

Der Gebrauch einer Bohrmaschine (ein besonders bevorzugtes ‚Untersuchungs’-Werkzeug der mit den Amerikanern verbündeten irakischen Shia) an Dick Cheney würde diesen in nur wenigen Minuten zu dem Geständnis bewegen, dass er Osama bin Laden ist.

Ein schockierender Bericht des U.S.-Senats hat gerade enthüllt, dass die Bush-Regierung, nachdem sie die von ihr behaupteten Verbindungen zwischen al-Qaida und Saddam Hussein nicht finden konnte, in bester Sowjetmanier versuchte, ihre Gefangenen durch Folter zu dem Geständnis zu bringen, dass eine solche Verbindung tatsächlich existierte. Das wäre natürlich ein viel besserer Vorwand für den Überfall auf den Irak gewesen als die Lügen über Massenvernichtungswaffen, die gegen Amerika gerichtet waren.   

Der Senat berichtete auch, dass die Foltertechniken der CIA und des Pentagon von Foltermethoden übernommen worden seien, mit denen amerikanische Gefangene in den 1950ern gezwungen wurden, Lügen über biologische Kriegsführung zu gestehen.

Tatsächlich lernte Nordkorea seine Foltertechniken von sowjetischen KGB-Ausbildnern. Die vom KGB in den 1930ern und 40ern bevorzugten Foltermethoden waren erbarmungslose Schläge, Einsperren in gekühlte Zellen, wochenlanger Schlafentzug und endlose Verhöre. Ich habe selbst die Folterzellen im KGB-Hauptquartier Lubjanka in Moskau gesehen.

CIA und U.S.-Militär kopierten diese nordkoreanisch/sowjetischen Foltermethoden, fügten aber auch verzerrte Stellungen, Nacktheit und Demütigung hinzu, Techniken, die sie von israelischen Vernehmungsbeamten gelernt hatten, die diese benutzten, um palästinensische Gefangene zu erpressen Informanten zu werden. Deswegen all die Nacktfotos aus dem Abu Ghraib-Gefängnis.

Amerikanische Ärzte und medizinisches Personal überwachten die Folter und entwickelten und überwachten Techniken, mit dem Ziel, Gefangene durch Isolation, erschreckende sensorische Deprivation und Injektionen von starken psychotropen Drogen geistig kampfunfähig zu machen.    

Die Folter wurde genehmigt von Präsident George W. Bush, Vizepräsident Dick Cheney, Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice, und ausgeführt von CIA-Chef George Tenet und dem Kommando für Geheime Operationen im Pentagon.

Vier speichelleckerische Rechtsberater und zwei stiefelleckerische Justizminister stellten sophistische Rechtsgutachten zur Verfügung, in denen Folter gebilligt wurde. Allen sollte die Lizenz entzogen und sie sollten vor eine unabhängige gerichtliche Kommission gestellt werden. Nicht eine Reinwaschungs- wie die 9/11-Kommission, sondern vor eine wirkliche, unabhängige gesetzliche Einrichtung. Noch besser wäre es, den Fall vor den Internationalen Gerichtshof der UNO in Den Haag zu bringen.

Präsident Obama sagte den CIA-Leuten wirklich, er wolle die Folterer nicht verfolgen, da sie nur legale Anweisungen und Befehle befolgt haben. Das taten auch die Nazibeamten, die Millionen getötet haben.

Auf dem Boden der Gesetze zerlegten Nazijuristen Deutschlands Weimarer Republik und richteten die Nazidiktatur in nur zwei Monaten nach dem ‚terroristischen Angriff’ auf den Reichstag im Februar 1933 ein. Die Errichtung der Hitlerdiktatur erfolgte unter Einhaltung der Gesetze. 

Als ich in der U.S.-Armee diente, musste ich lernen, dass jeder gesetzwidrige Befehl, sogar wenn er vom Präsidenten selbst kommt, verweigert werden muss, und dass die Misshandlung von Gefangenen ein Verbrechen ist. 

Präsident Obama muss der Welt zeigen, dass Amerika das Recht hochhält, Folter jeglicher Art zurückweist und dass niemand über dem Gesetz steht. Es gibt keinen anderen Weg, um ein neuerliches Auftreten von Folter in Zukunft zu verhindern.

 
     
  Copyright © 2009 Eric Margolis   
  erschienen am 27.04.2009 auf > http://www.ericmargolis.com/ > http://www.ericmargolis.com/political_commentaries/americas-shame.aspx  
     
  <<< Inhalt