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  Obama in Russland

Die gleiche Politik, jetzt in der Geschenkpackung 

Justin Raimondo 

Präsident Obamas Reise nach Russland – überschattet in unseren einfältigen Medien von Tod und Begräbnis Michael Jacksons – zeigt, dass der Wechsel, den wir so gerne begrüßt hätten, kleiner ausfällt als erwartet. Wenn wir den Text der Ansprache, die er in der neuen Moskauer Wirtschaftsschule gehalten hat, als irgendwie verbindlich betrachten, ist man zum Schluss gezwungen, dass er gleich aussieht und klingt wie der gleiche alte – und vielleicht noch ein bisschen schlimmer. 

Nachdem er sich durch die erforderliche Schöntuerei gearbeitet hatte – Lob von Russlands künstlerischen Beiträgen und einen lustigen Hinweis auf einen in Russland geborenen Hockeyspieler – beschrieb unser Präsident die schlimmen alten Tage des Kalten Kriegs: „als Wasserstoffbomben in der Atmosphäre getestet wurden, Kinder in Atomschutzmaßnahmen ausgebildet wurden und wir den Rand der atomaren Katastrophe erreichten.“ Gruselige Geschichten, obwohl er nicht sagte, wer dafür verantwortlich war. Auf einmal, indes „innerhalb einiger kurzer Jahre hat sich diese Welt verändert. Täuschen Sie sich nicht: dieser Wechsel kam nicht von einem Land allein. Der Kalte Krieg kam zu einem Ende aufgrund der Taten vieler Nationen viele Jahre hindurch und weil die Menschen in Russland und Osteuropa aufstanden und beschlossen, dass das Ende friedlich sein sollte.“

Das ist nachweislich falsch: das Ende des Kalten Kriegs hatte nichts zu tun mit den „Taten vieler Nationen viele Jahre hindurch.“ Statt dessen war es eine Entscheidung der sowjetischen Führung, sich dem unvermeidlichen Sturz ihres Systems nicht zu widersetzen, das verkalkt war und praktisch seit vielen Jahren im Sterben lag. Kurz gesagt hatte die Außenpolitik der Vereinigten Staaten von Amerika nichts damit zu tun: es ging darum, was innerhalb des sowjetischen Blocks geschah (bzw. nicht geschah) einschließlich der UdSSR selbst.   

Okay, das ist eine Nebensächlichkeit, aber im Kontext der routinemäßigen Auffassung der Amerikaner, dass alles sich nur um sie dreht, ist sie es wert erwähnt zu werden. Ein weiterer erwähnenswerter Punkt ist, dass, wenn man all den Firlefanz und die Schmeicheleien streicht, alles, was man von dieser Rede bekommt, Bushismus ohne Bush ist. Das heißt:  

„Ich weiß, dass Russland gegen die geplante Konstellation der Raketenabwehr in Europa ist. Meine Regierung ist dabei, diese Pläne zu überdenken, um die Sicherheit von Amerika, Europa und der Welt zu verbessern. Ich habe klar gemacht, dass dieses System darauf gerichtet ist, einer möglichen Attacke seitens des Iran vorzubeugen und nichts mit Russland zu tun hat. In der Tat möchte ich, dass wir zusammen an einem System der Raketenverteidigung arbeiten, das uns allen mehr Sicherheit gibt. Aber wenn die Bedrohung durch die iranischen Programme für den Bau von Atomraketen eliminiert ist, wird auch die treibende Kraft für die Raketenverteidigung in Europa eliminiert sein.“ 

Die Idee, dass amerikanische “Raketenabwehr”-Waffen in Polen und der Tschechischen Republik aus Angst vor einem iranischen Überraschungsangriff auf eines oder beide dieser Länder stationiert werden, ist absurd. Als diese fantastische Erklärung zum ersten Mal von Vertretern der vorhergehenden Administration abgegeben wurde, war sie gemeint - und wurde auch so aufgefasst - als eine Beleidigung der Russen, als hätte man gesagt: Leck uns am Arsch Boris, wir denken nicht einmal nach über eine halbwegs glaubhafte Erklärung!

Dieses Waffensystem, forciert vom „Erweitert die NATO”-Haufen – sagen Sie „Hallo“ zu Randy Scheunemann (bezahlter Lobbyist und McCain-Berater)! – ist eine nackte Provokation, die auf Moskaus steigende Verletzbarkeit gerichtet ist. Aufbauend auf die Busch´sche Politik, den Abbau der nuklearen Waffen hintanzustellen, der bereits von Ronald Reagan und Gorbatschow in den letzten Tagen der Sowjetunion begonnen worden war, haben die Obamaisten Bushs „Auf nach Osten!“-Strategie übernommen und sich zu eigen gemacht – anscheinend bereit, den Raketenabwehrschild als Tauschobjekt zu verwenden in der Hoffnung, Russland würde nicht zu viele Schwierigkeiten machen, wenn wir uns auf die Konfrontation mit dem Iran vorbereiten.

Die russische Antwort, in Putins Worten, war vorsichtig, aber unmissverständlich:

„Wie wir verstehen, hat die neue Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika ihre Position in Hinblick auf die Zukunft des Raketenabwehrsystems, zumindest was dessen Aufstellung in Europa betrifft, nicht festgelegt. Es ist aber offensichtlich, dass die offensiven und defensiven Komponenten von strategischen Kräften eng und unauflöslich untereinander verflochten sind. Das war immer so und wir sind immer von dieser Annahme ausgegangen. Genau aus diesem Grund wurde ursprünglich der Vertrag über die Begrenzung von Raketenabwehrsystemen abgeschlossen."

„Als die Vereinigten Staaten von Amerika einseitig dieses Abkommen aufkündigten und 'begruben', zeichnete sich natürlich die Drohung der Ungleichheit im Bereich der offensiven und defensiven strategischen Systeme ab. Ich denke, dass man kein Experte sein muss, um das Folgende zu verstehen: wenn eine Seite einen „Schirm“ gegen alle Arten von Bedrohungen haben will oder anstrebt, dann könnte sie sich der Illusion hingeben, dass sie alles tun kann, was ihr passt, worauf ihre Aggressivität beträchtlich steigen wird, während die Bedrohung einer weltweiten Konfrontation einen sehr gefährlichen Pegel erreichen wird. Russland wird natürlich die Fragen der Raketenabwehr und alle damit verbundenen Angelegenheiten mit dem Thema der strategischen Angriffswaffen verbinden.“

Diese Worte wurden vor einigen Monaten gesprochen, und ohne Zweifel hat Putin klarere Vorstellungen davon, wogegen er ist: eine Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, die mit harten Bandagen kämpft und keinerlei Ambitionen hat, ihre grundsätzliche Politik zu ändern. Das langfristige Ziel jeder Administration nach dem Ende des Kalten Kriegs – die Einkreisung Russlands - bleibt gleich, daran wird sich nichts ändern. Überhaupt nichts. 

Die Einkreisungsstrategie begann in Wirklichkeit in der Zeit der Regierung Clinton, als die Vereinigten Staaten von Amerika Belgrad im Namen der „Humanität“ bombardierten und Washington begann, von den riesigen Ölschätzen zu träumen, die am Ende der Großen Seidenstraße liegen. Es waren in der Tat die Clintonisten, die als erste eine eigene Abteilung der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika einrichteten – das Büro des Diplomatie-Spezialberaters für die Energie im Kaspischen Becken – um die U.S.-Ölgesellschaften zu subventionieren und anderweitig zu unterstützen, damit sie in diesem Bereich Fuß fassen konnten. Die Ölreserven im und rund um das Kaspische Meer sind dem Vernehmen nach riesig und Clinton schmierte die regionalen Despoten mit einer Menge von U.S.-Steuerdollars und Unterstützungszusagen, um sie dazu zu bringen, sich an seinem Plan zu beteiligen. Die Vereinigten Staaten von Amerika entwickelten ein Modell, nach dem eine Pipeline gebaut werden sollte, die weder durch russisches noch durch iranischen Territorium verlief und das Öl aus den zentralasiatischen Autokratien wie Turkmenistan und Azerbaijan durch den Kaukasus transportierte, von Baku in Azerbaijan nach Ceyhan, einem türkischen Hafen – und stellten sicher, dass sie durch Tiflis verlief, Hauptstadt der ehemaligen Sowjetrepublik Georgien. 

Hier liegt der wirklich wunde Punkt zwischen Russland und den Vereinigten Staaten von Amerika: Georgien, dessen von den Vereinigten Staaten von Amerika unterstützte und finanzierte “Rosenrevolution” zur Errichtung eines militant antirussischen und ultranationalistischen Regimes führte. Im vergangenen Jahr unternahm Georgien einen in keiner Weise provozierten Angriff auf die benachbarten Republiken Südossetien und Abchasien, die beide ein Jahrzehnt lang praktisch unabhängig von Georgien gewesen waren. Kandidat Obama war unter denen, die um die zweifelhafte Ehre wetteiferten, Russlands Hilfe für die bedrängten Abchasen und Osseten am lautesten anzuprangern. Die Rechercheure der Europäischen Union haben dennoch festgestellt, dass Georgien und nicht Russland den ersten Schlag geführt hat – kein Wunder, dass die Diskussion zwischen Obama und Putin länger dauerte als geplant.

Ich musste lachen, als ich hörte, wie unser Präsident die folgende Linie ausgab: „Die staatliche Souveränität muss ein Eckstein der internationalen Ordnung sein.“ Jeder weiß, dass die Vereinigten Staaten von Amerika diejenigen sind, die am meisten gegen dieses Prinzip verstoßen. „Gerade wie alle Staaten das Recht haben sollten, ihre Anführer zu wählen,“ setzte Obama fort, „müssen Staaten ein Recht auf sichere Grenzen und auf ihre eigene Außenpolitik haben. Das trifft für Russland zu wie für die Vereinigten Staaten von Amerika. Jedes System, das diese Rechte beeinträchtigt, wird Anarchie zur Folge haben. Aus diesem Grund muss dieses Prinzip für alle Nationen gelten – einschließlich Georgien und Ukraine. Amerika wird niemals einem anderen Land ein Sicherheitssystem aufzwingen. Damit ein Land Mitglied der NATO werden kann, muss das die Mehrheit seiner Bevölkerung wollen; sie muss Reformen durchführen und in der Lage sein, zu den Aufgaben der Allianz beizutragen. Und lassen Sie mich klar sagen: die NATO sucht Kooperation mit Russland, nicht Konfrontation.“

Wenn ihre konservativen republikanischen Kritiker bei der Gründung der NATO im Jahr 1949 geäußert hätten, sie würde den kommunistischen Block überleben, gegen den sie den Westen verteidigen sollte, hätte man sie – und hat sie auch – als steinzeitliche „Isolationisten“ und Hysteriker abgetan. Dass die NATO weiterhin besteht, obwohl Lenins Projekt tot und begraben ist, erhellt dramatisch die Binsenweisheit, dass Regierungsprogramme nie sterben, sondern sich in alle Ewigkeit weiter ausdehnen.
Das Mantra, Obama stehe für „Wechsel” in dem Sinn, dass er wirklich mit der Außenpolitik der vorhergehenden Administration breche, klingt in diesen Tagen besonders hohl. Das trifft besonders zu, wenn es um unsere Beziehungen zu Russland geht. Die einzige Änderung betrifft den Stil. Obama ist als Persönlichkeit sympathischer als Bush das für sich jemals erhoffen konnte, aber das wird ihn im Kreml nicht weit bringen. In der Tat haben unsere eigenen Medien mit mehr als nur einer Spur von Gereiztheit festgestellt, dass Obama-Manie in Russland so gut wie nicht zu existieren scheint.

Mit gutem Grund. Dass er dort weitermacht, wo die Clintons und Bushs aufgehört haben, ist sicher enttäuschend, allerdings nicht - wie zu erwarten - für die, die ich zu meinen regelmäßigen Lesern rechne. Lange bevor Obama sein Amt antrat, habe ich gewarnt, dass das höchste, was wir erwarten könnten, eine Weiterführung des Status Quo sei – und dass die Entwicklung sogar schlechter verlaufen könnte. Nichts unterstreicht letzteres dramatischer als Obamas offenkundige Eskalation der antirussischen Kampagne der vorhergehenden Regierung.

Der heißköpfige starke Mann Georgiens Michail Saakashvili verfügt über extensive Kontakte in die Vereinigten Staaten von Amerika und spricht fließend Englisch. Als er zuletzt das von den Vereinigten Staaten von Amerika ausgebildete georgische Militär gegen die wehrlosen ossetischen und abchasischen Zhivilisten loshetzte und hunderte töten ließ, tat er das in der vollen Hoffnung auf Hilfe von der Regierung Bush, die rhetorische Unterstützung gab, aber keine Unterstützung aus der Luft. Die Russen machten kurzen Prozess mit dem Möchtegern-Napoleon des Kaukasus, aber es gibt Anzeichen, dass Saakashvili wieder schürt, in der Hoffnung, die Aufmerksamkeit von den heimischen Protesten gegen seine autoritäre Herrschaft (die im vergangenen Jahr mit brutaler Gewalt unterdrückt worden waren) abzulenken. Wird Obama ihn im Zaum halten – oder die Drohung mit einem neuen Krieg in der Region als ein weiteres Tauschobjekt mit dem Kreml benutzen? 

Die Beziehungen der Vereinigten Staaten von Amerika zu Russland waren außerordentlich schlecht, nachdem Putin die Oligarchen hinauswarf und beschloss, sich weder von Washington noch von London diktieren zu lassen. Die Regierung Obama hat gesagt, sie wolle die Beziehung „resetten“, aber das ist nur Gerede ohne Taten. Sie pieksen den russischen Bären mit dem selben Hakenstock und fordern von ihm, durch eine Reihe von Reifen zu springen – und werden zweifelsohne sehr gekonnt die Schockierten heucheln, wenn der Bär zurückschlägt.

 
     
  erschienen am 08.07.2009 auf > www.antiwar.com > http://original.antiwar.com/justin/2009/07/07/obama-in-russia/    
     
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