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  Gleiches Lied, anderer Text

Philip Giraldi

Die Menschen in Amerika, die kaum zurechtkommen mit einer tatsächlichen Arbeitslosenquote von fast 20% im Gegensatz zu den amtlichen statistischen Angaben, einer desaströsen Gesundheitsversorgung, einem explodierenden Staatsdefizit und einem Zusammenbruch der Eigenheimwerte, brauchen keinen neuen Krieg, aber gerade einen neuen Krieg werden sie bekommen. Die Verantwortung dafür liegt zu einem großen Teil bei den üblichen Spielern in Kongress und Massenmedien, aber die Geschichte, dass der Iran eine Bedrohung für den Rest der Welt darstellt, wird weitgehend von Israel und seinen kläffenden Pudeln hochgespielt, die locker als israelische Lobby bezeichnet werden. Dass der Iran nur ein Prozent von dem für das Militär ausgibt, was die Vereinigten Staaten von Amerika ausgeben, scheint nicht der Rede wert zu sein, da jeder, der Washington Post und New York Times liest weiß, dass diese verschlagenen Mullahs in den Falten dieser losen Gewänder, die sie tragen, Atomwaffen verbergen, geheime Sprengkopfprogramme und Raketen, die in der Lage sein werden, eines Tages Europa zu treffen, wobei es weiterhin irgendwie schwer verständlich bleibt, warum der Iran Raketen nach Europa schießen soll.

Israel, das jährlich fast US$ 3 Milliarden als “Militärhilfe” und zahlreiche weitere Zuwendungen aus Washington bekommt und doppelt so viel wie Teheran für sein Militär ausgibt, steigt andererseits immer gut aus, obwohl es über ein geheimes und unkontrolliertes Arsenal an Atomwaffen verfügt, welches ohne Zweifel zur iranischen Paranoia beiträgt. Der israelische Ministerpräsident Bibi Netanyahu hat klar gemacht, dass er will, dass die Vereinigten Staaten von Amerika den Iran angreifen. Gewöhnlich bekommt Israel von Washington, was es haben will, und es gibt keine Anzeichen, dass Präsident Barack Obama über das Rückgrat verfügt, das man braucht, um diese bedauerliche Geschichte zu ändern. 

Die letzten paar Wochen hindurch haben Israel und seine vielen Freunde besonders fleißig die Kriegstrommel geschlagen. Der israelische stellvertretende Außenminister Danny Ayalon erklärte am 6. November mit Nachdruck, dass Israels immer wieder geäußerte Absicht, den Iran anzugreifen, durchaus ernst gemeint sei. Am Tag davor hatte die Außenministerin der Vereinigten Staaten von Amerika Hillary Clinton wieder den Iran ermahnt und erneut unter Druck gesetzt mit der Forderung, ein vorläufiges Abkommen über sein Nuklearprogramm zu akzeptieren, das ihm das Recht verwehrt hätte, sein eigenes Uran anzureichern und warnte: „Wir werden unseren Standpunkt nicht ändern und wir werden nicht ewig warten.“ Der Chef des Generalstabs Michael Mullen stieß ins selbe Horn. Am 8. November berichtete die israelische Zeitung Haaretz, Mullen „sagte in der vergangenen Woche in Washington, dass ein nuklearer Iran eine existentielle Bedrohung für Israel darstellt. Mullen sagte, er würde bevorzugen, wenn die Vereinigten Staaten von Amerika mit diplomatischen Mitteln erreichen könnten, dass das Land keine nuklearen Waffen bekommt, deutete aber an, dass für den Fall, dass derlei Bemühungen nichts fruchten, auch Luftwaffe und Marine der Vereinigten Staaten von Amerika zum Einsatz gebracht werden könnten.“ 

Inzwischen kam zur dritten Jerusalemkonferenz am 3. November eine Schar von Abgeordneten auf dem Kapitolhügel zusammen, um einem fremden Land ewige Treue zu schwören. Der demokratische Abgeordnete Howard Berman und die republikanische Abgeordnete Ileana Ros-Lehtinen, Mitunterzeichner des Entwurfs eines Gesetzes über Sanktionen im Jahr 2009, der für die Blockade von Treibstoffimporten eintritt, sprachen emotional über die „iranische Bedrohung.“ Berman, der laut Berichten einmal den Eid geleistet hatte, alle Amerikaner zu vertreten, bestätigte „ich war ein Zionist, ehe ich ein Demokrat war“ und fügte hinzu: „diese Administration meint es ernst damit, einen nuklearen Iran zu verhindern.“ Ebenfalls anwesend war der stets verlässliche Senator James Imhofe, der sagte „es gibt Leute, die wollen Israel von der Landkarte tilgen, und als nächstes die Vereinigten Staaten von Amerika.“ Eindeutig meinte er damit den Iran, obwohl er nicht sagte, wer diese „Leute“ sein könnten oder wie sie es schaffen könnten, dieses Ziel zu erreichen.

Und dann gibt es noch die guten alten Baptisten des Südens, die immer gleich bereit sind, die Religionsfreiheit zu verteidigen, es sei denn, es ginge um die Unterdrückung von Christen und Moslems durch den Staat Israel im Heiligen Land. Am 2. November traf sich der führende südliche baptistische Evangelikale Richard Land von der Kommission für Ethik und Religionsfreiheit (ein wohl ironisch gemeinter Name) mit jüdischen und anderen christlich evangelikalen Führern in New York, um unverzügliche Sanktionen zu fordern, die den Iran von der Entwicklung atomarer Waffen abhalten sollten. Die evangelikalen und jüdischen Gruppen stehen hinter dem Berman-Entwurf, der Sanktionen gegen Firmen oder Regierungen vorsieht, die Treibstoff in den Iran exportieren, „um überzeugende Schritte zur Beendigung der mörderischen Absicht des iranischen Regimes zu setzen, zu Atomwaffen zu gelangen.“ Wahrscheinlich hatte Richard nichts von dem Bericht der nationalen Geheimdienste aus dem Jahr 2007 gehört, in dem festgehalten wurde, dass der Iran sein Waffenprogramm 2003 eingestellt hatte. Noch hat er gelesen, oder hatte auch kein Interesse, den Bericht des Büros für Demokratie, Menschenrechte und Arbeit des Außenministeriums der Vereinigten Staaten von Amerika vom Juni 2009 zu lesen, aus dem hervorgeht, dass Israel systematisch Christen diskriminiert. Heilige Stätten werden durch ein Gesetz aus dem Jahre 1967 geschützt, aber nur wenn es sich um jüdische handelt. Der Bericht hält fest, dass christliche und muslimische Stätten Freiwild für die Ausbeutung durch Immobilienunternehmer sind.     

Nachdem der Goldstone-Bericht über die israelischen Kriegsverbrechen in Gaza in der UNO-Generalversammlung debattiert werden soll, findet es Tel Aviv wahrscheinlich notwendig, etwas gute PR zu betreiben, aber ein Teil der Propaganda, die neulich aus Israel kommt und kritiklos von den U.S.-Medien verbreitet wird, besteht den Geruchstest nicht. Am 4. November beschlagnahmte Israel das in Antigua registrierte Frachtschiff „Francop“, das anscheinend Waffen in Internationalen Gewässern beförderte. Bibi Netanyahu geriet ganz außer sich, nannte die Waffen „ein Kriegsverbrechen“ und erklärte „wer immer noch einen Beweis dafür haben will, dass der Iran weiterhin Waffen an Terrororganisationen liefert, hat diesen heute bekommen, klar und eindeutig. Iran sendet diese Waffen an Terrororganisationen, um damit israelische Städte zu beschießen und Zivilisten zu töten. Die Zeit ist reif, dass die internationale Gemeinschaft wirklichen Druck auf den Iran ausübt, um dieser verabscheuungswürdigen Aktivität Einhalt zu gebieten und Israel zu unterstützen, wenn es sich gegen Terroristen und deren Hintermänner verteidigt.“  

Es ist ja wirklich zum Lachen, wenn Bibi Netanyahu eine mögliche Schiffsladung von Waffen, die noch nirgendwohin geliefert worden ist, als “Kriegsverbrechen” hinstellt, während er sich gleichzeitig weigert, die Schlächterei im vergangenen Januar in Gaza zu untersuchen. Einige haben bemerkt, dass die waghalsige israelische Kommandoaktion den Eindruck erweckt, als sei sie gestellt. In der ersten Presseaussendung behauptete Israel, die Waffen wären geladen worden, als das Schiff in Syrien angelegt hatte. Das Schiff war jedoch noch nicht in Syrien und warum sollte Damaskus iranische Waffen mit dem Schiff liefern, wenn es viel einfacher auf dem Landweg gegangen wäre? Später behauptete Israel, das Schiff wäre von Iran nach Syrien gefahren, aber die Schiffseigentümer erklärten, die tatsächliche Route des Schiffs verlaufe von Ägypten nach Zypern und Libanon mit dem Ziel Türkei. Woher kamen also die Waffen, die Israel vorführte, nachdem das Schiff durch sein Kommando aufgebracht und in den Hafen Ashdod geschleppt worden war, und wer sollte sie bekommen? Bestenfalls ist das unklar und die israelische Geschichte weist eine Reihe von Lücken auf, besonders die vollmundige Behauptung, die Waffen wären für Hezbollah bestimmt. Sofort nach der Beschlagnahme ließen die Israelis Kapitän und Mannschaft frei und sagten, diese hätten keine Ahnung von den hunderten Tonnen Waffen, die sich angeblich an Bord befanden. Um die Geschichte aktuell zu halten, griff sie sechs Tage später der israelische Armeechef Gabi Askenazi wieder auf und behauptete – ohne irgendeinen Beweis vorzulegen – dass Hezbollah über zehntausende Raketen verfügt, die die meisten israelischen Städte erreichen könnten.

Eine eigenartige Geschichte, aber nicht eigenartiger als der Schwindel rund um die iranische Nuklearanlage in der Nähe der Stadt Qom. Die Leser werden sich erinnern, dass die Anlage anfänglich von den U.S.-Medien als geheime Waffenfabrik bezeichnet worden war, die beweise, dass die bösen Iraner Massenvernichtungswaffen herstellten, für die umgehende Lieferung an Terroristen bestimmt, die damit die Freiheitsstatue in die Luft jagen würden. Obwohl sogar die U.S.-Geheimdienste bereits einige Jahre lang Bescheid über diese Anlage wußten und ihr keine besondere Bedeutung beimaßen, sprang die Obama-Administration schnell auf den fahrenden Medienzug auf, prangerte die Iraner an und übernahm die Prämisse, dass mit der versteckten Anlage automatisch ein geheimes Waffenprogramm verbunden sei.

Am 3. November behauptete der Chef des israelischen Geheimdienstes General Amos Yadlin, die Anlage in Qom diene „keinem möglichen zivilen Zweck“ und weiter, dass der Iran sein nukleares Programm „horizontal expandiere“, um in möglichst kurzer Zeit eine Waffe entwickeln zu können. Es stellt sich jetzt allerdings heraus, dass die Anlage von Qom von der iranischen Regierung im Jahr 2007 begonnen worden war, als die Bush-Administration drei Flugzeugträgerverbände in der Region des Persischen Golfs zusammengezogen hatte und mit Krieg drohte aufgrund behaupteter iranischer Übergriffe in den benachbarten Irak, was weitgehend aus der Luft gegriffen war. Jedenfalls wurde die Anlage von der iranischen Regierung ohne besondere Dringlichkeit entwickelt und ist derzeit, über zweieinhalb Jahre später, wenig mehr als eine mögliche Reserveanlage für Urananreicherung, ganz klar errichtet aufgrund von Bedenken, dass Israel oder die Vereinigten Staaten von Amerika die Hauptanlage in Natanz angreifen könnten. Die Anlage wurde vor kurzem von der IAEA der UNO inspiziert und Mohammed El-Baradei beschrieb sie als „Loch in einem Berg“ und „nichts, worüber man sich den Kopf zerbrechen müsste.“

Vergessen wir nicht die Hamas, die ebenfalls hoch in den Rängen des Bösen hinter Hezbollah und Iran kursiert. Am 3. November beschuldigte der umtriebige General Yadlin die Hamas auch, einen Test mit einer Rakete durchgeführt zu haben, die Tel Aviv erreichen könne, nicht ohne dräuende Hinweise, die Waffe könnte aus dem Iran stammen. Tatsächlich ist der Gazastreifen, 43 Kilometer lang und durchschnittlich zehn Kilometer breit und häufig als „ein großes Gefängnis“ beschrieben, von überwältigender israelischer Feuerkraft auf drei Seiten umschlossen und nach dem Süden von den Ägyptern abgeschlossen, was den Import von neuer militärischer Hardware etwas problematisch macht. Als militärische Bedrohung ist Gaza die Maus, die brüllte. 

Und so läuft die Propagandakampgne - im Kalten Krieg wurde das als Agitprop bezeichnet - weiter mit Iran im Fadenkreuz. Es gibt Berichte, dass Israel eine Gruppe junger Blogger gegründet hat, die gut englisch können und auf Webseiten die Parteilinie verbreiten, besonders in Bezug auf den Iran, so dass man mit Sicherheit annehmen kann, dass ein orwell´scher Konflikt ohne Hand und Fuss über das ganze Internet verbreitet wird. Es wird keine Ruhe im Kongress, bei den Medien und in den Korridoren der Macht in Israel geben, bis der Iran auf den Knien ist. Und wenn es die Leben von ein paar tausend mehr jungen Amerikanern kostet und den völligen Zusammenbruch der Wirtschaft der Vereinigten Staaten von Amerika erfordert, um dieses Ziel zu erreichen, dann soll´s halt sein. Kongress und Weißes Haus haben sich schon ziemlich lange nicht den Menschen in Amerika gegenüber verantworten müssen, warum sollte da ein neuer Krieg etwas ändern?  

 
     
  erschienen am 12. November 2009 auf > http://www.antiwar.com > http://original.antiwar.com/giraldi/2009/11/11/same-song-different-verse/  
     
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