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  Märkte versagen, wenn Menschen nicht kontrolliert werden

Paul Craig Roberts

Der ehemalige Vorsitzende der Federal Reserve Alan Greenspan antwortete, dass er sein Vertrauen in eine fehlerhafte Theorie gesetzt habe, als er vor dem Kongress erklären sollte, warum er, Goldman Sachs Finanzminister Robert Rubin und Staatssekretär im Finanzministerium Larry Summers Brooksley Born, Leiterin der Commodity Futures Trading Corporation, einer Regulierungsagentur der Regierung, daran gehindert haben, ihre Arbeit zu machen, nämlich die direkt gehandelten Derivative zu regulieren.

Die Theorie des effizienten Marktes geht davon aus, dass nicht regulierte Märkte effizient und vernünftig sind. Gemäß dieser Therorie, in die Greenspan sein Vertrauen gesetzt hatte, ergeben nicht regulierte Märkte die bestern Ergebnisse. Jeder regulative Eingriff verschlechtert das Ergebnis.

Greenspan gab die Schuld an seiner verfehlten Einschätzung einer Theorie. Die Theorie, oder Greenspans Verständnis davon, herrscht dessen ungeachtet noch immer, nachdem sich der Kongress als unfähig erwiesen hat, das Spielcasino Wall Street zu re-regulieren. Ganz klar, die Theorie dient mächtigen Interessen.  

Aber was ist die Wahrheit?

Die Wahrheit ist, dass Märkte eine soziale Angelegenheit sind. Ihre Effizienz hängt von den Regeln ab, die das Verhalten der Menschen in Märkten beherrschen. Wenn Vertreter des freien Marktes davon reden, dass Märkte dies oder das entscheiden, verdinglichen sie eine soziale Angelegenheit und schreiben ihr die Macht zu, Entscheidungen zu treffen. Sozialisten machen den gleichen Fehler, wenn sie den Märkten die Schuld an den Ergebnissen menschlichen Verhaltens geben. Märkte handeln natürlich nicht oder treffen Entscheidungen. Menschen handeln und treffen Entscheidungen, und die Märkte widerspiegeln die Entscheidungen und Handlungen von Menschen.

Die ganze Debatte über Regulierung ist falsch verstanden. Es ist nicht der Markt, eine effiziente soziale Angelegenheit, der reguliert ist. Was reguliert ist, ist das Verhalten von Menschen in Märkten. Wenn man von Märkten gute Ergebnisse haben will, ist eine gute Regulierung des menschlichen Verhaltens unabdingbar.

Der Markt ist wie ein Computer. Müll hinein, Müll heraus.

Wenn Leute, die Märkte gebrauchen, nicht kontrolliert werden, geben sie betrügerische Finanzinstrumente heraus.

Sie verhelfen Anleihen mit absurden Höhen von Schulden zum Durchbruch. Sie vermarkten ihre Wertpapiere mit betrügerischen Investment-Ratings. Sie verkaufen sich selbst als Asse.

Wusste Greenspan das nicht? War er Opfer einer Theorie oder hat er der Gier freien Lauf gelassen durch das Fehlen von Kontrolle? 

Der Weg, um Sozialisten und Kapitalisten zusammenzubringen ist die Erkentnis, dass Märkte effizient sind und dass an eigenen Interessen orientiertes menschliches Verhalten soziale Kontrolle erfordert.

Das Versagen der Kontrolle der Finanzmärkte hat zu enormen Verlusten für alle Amerikaner außer den Superreichen geführt. Aber die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika ist eines noch größeren Versagens schuldig. Washington hat die Arbeitslosigkeit seiner Bürger nicht nur erlaubt, sondern auch gefördert, indem es von Gier getriebenen Konzernen erlaubte, amerikanische Jobs ins Ausland zu verlagern, um die Profite für die Bonuszahlungen der CEOs, die Aktienbesitzer und Wall Street zu maximieren. 

Wie Ralph Gomory klar gemacht hat, ist die Wirtschaftstheorie ins Wanken geraten, weil nicht länger ein Zusammenhang zwischen den Profiten amerikanischer Gesellschaften und dem Wohlstand der Amerikaner besteht. Die Profite amerikanischer Kapitalgesellschaften werden mit billiger Arbeit in weit entfernten Gebieten erzielt und gehen auf Kosten der amerikanischen Arbeiter. 

Diese Enteignung der amerikanischen Arbeiter wurde von den Auslagerungszuhältern in den größeren Universitäten als „die Neue Wirtschaft” verkündet.

Die „Neue Wirtschaft” ist ein Schwindel wie das meiste, was die gekauften und bezahlten Medien den Amerikanern vorsetzen. Es gibt keine neue Wirtschaft. Es gibt eine arbeitslose Wirtschaft. Die Arbeitslosigkeit in den Schlagzeilen liegt gerade über 10%. Die wirkliche Arbeitslosenquote beträgt gemessen mit der derzeitigen Methode 17%. Gemessen mit der Methode aus dem Jahr 1980 beträgt die Arbeitslosigkeit 22%.

Wenn also die Auslagerung von Arbeitsplätzen so ein Segen für Amerika ist, wie die gemieteten Zuhälter der multinationalen Konzerne behaupten, warum ist dann mehr als ein Fünftel der Arbeitskräfte der Vereinigten Staaten von Amerika arbeitslos? Warum haben die Vereinigten Staaten von Amerika die größten Handelsdefizite der Weltgeschichte? Warum verliert der U.S.Dollar ständig an Wert gegenüber anderen Währungen?

Gier und gewählte Vertreter, die vor speziellen Interessen auf dem Bauch rutschen, dezimieren die amerikanische Wirtschaft.

Nehmen wir zum Beispiel Präsident Obamas Budgets für 2010 und 2011. Zusammen ergeben sie ein Minus von U.S.$ 2,9 Billionen. Niemand auf der ganzen Welt hat solche Beträge, die er Washington leihen könnte. Wie werden diese massiven Defizite, die es noch nie zuvor auf der Erde gegeben hat, finanziert werden? Sie können nur von der Federal Reserve finanziert werden, die ihre Bilanz durch den Ankauf giftiger Finanzinstrumente von den Banken über den Haufen wirft und dadurch die Banken mit Geld versorgt, mit dem sie Staatsanleihen kaufen, oder indem die Federal Reserve selbst Staatsanleihen kauft mit neu gedrucktem Geld, oder mit einem weiteren Zusammenbruch von Kapitalwerten, der Investoren dazu treibt, in „sichere“ Staatsanleihen zu flüchten. 

Die amerikanische Macht steht am Abgrund, kurz vor dem Fall. Vielleicht ist das eine gute Sache. Die Welt wird frei sein von Terror, von Überfällen auf unschuldige Länder auf der Grundlage dreister Lügen, von Folter und Mord an Frauen und Kindern, von der Umverteilung des Einkommens von den Armen zu den Reichen.

Das Strafregister, das die Vereinigten Staaten von Amerika angehäuft haben, macht sie zum am wenigsten unentbehrlichen Land der Erde.

 
     
  erschienen am 5. Februar 2010 in > Foreign Policy Journal > http://www.foreignpolicyjournal.com/2010/02/05/markets-fail-when-humans-are-unregulated/  
  Paul Craig Roberts war stellvertretender Finanzminister in der Regierung Reagan. Er ist Verfasser von „Supply-Side Revolution: An Insider‘s Account of Policymaking in Washington“ (Revolution der Anbieterseite: Bericht eines Insiders über Politik in Washington), von „Alienation and the Soviet Economy“ (Entfremdung und die sowjetische Wirtschaft) und von „Meltdown: Inside the Soviet Economy“ (Kernschmelze: Innenansicht der sowjetischen Wirtschaft), sowie gemeinsam mit Lawrence M. Stratton von „The Tyranny of Good Intentions: How Prosecutors and Bureaucrats Are Trampling the Constitution in the Name of Justice“ (Tyrannei der guten Absichten: Wie Strafverfolger und Bürokraten die Verfassung im Namen der Gerechtigkeit mit Füßen treten). Er war Co-Redakteur der Kommentarseite des Wall Street Journal und Mitherausgeber der National Review.  
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