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  Wer attackiert da wirklich die Welt?

Paul Craig Roberts

Die eingeklemmten Schweine quieken. Um vom Außenministerium der Vereinigten Staaten von Amerika abzulenken, stellt Hillary Clinton die Veröffentlichungen der „diplomatischen Depeschen“ durch WikiLeaks als einen „Angriff auf die internationale Gemeinschaft“ hin. Die Wahrheit zu enthüllen ist in den Augen der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika gleichbedeutend mit einem Angriff gegen die Welt.

Es ist WikiLeaks Schuld, dass alle diese Diplomaten der Vereinigten Staaten von Amerika eine Viertelmillion undiplomatische Botschaften über die Alliierten Amerikas, auch bekannt als Marionettenstaaten, verschickt haben. Es ist auch WikiLeaks Schuld, dass ein Mitarbeiter der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika nicht länger die zynischen Methoden ertragen konnte, mit denen die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika andere Regierungen dazu bringt, ihr zu dienen, nicht ihren eigenen Völkern, sondern amerikanischen Interessen, und die belastenden Beweise an WikiLeaks weitergab.   

Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika glaubt in der Tat, dass es WikiLeaks patriotische Pflicht ist, die Beweise zurückzugeben und den Übermittler zu identifizieren. Es geht nicht, dass wir dem Rest der Welt Einblicke in unsere Absichten geben. Die könnten ja aufhören, weiter unseren Lügen zu glauben.

Die einflussreiche deutsche Zeitschrift Der Spiegel schreibt: „Das ist praktisch eine politische Kernschmelze für die Außenpolitik der Vereinigten Staaten von Amerika.“

Das dürfte eher eine Hoffnung sein als die Realität. Die „sowjetische Bedrohung“ in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ermöglichte es den Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika, Institutionen zu schaffen, die die Interessen anderer Länder denen der Vereinigten Staaten von Amerika unterordneten. Nach Jahrzehnten, in denen sie unter der Führung der Vereinigten Staaten von Amerika standen, kennen europäische „Führer“ keine andere Möglichkeit des Handelns mehr. Die Entdeckung, dass ihr Boss über sie herzieht und sie hintergeht, wird wahrscheinlich nicht reichen, um den Geist der Unabhängigkeit zu entzünden. Zumindest nicht, bis der wirtschaftliche Zusammenbruch Amerikas deutlicher erkennbar wird.

Die Frage ist: wie viel wird uns die Presse über diese Dokumente mitteilen? Der Spiegel selbst hat mitgeteilt, dass er der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika zumindest teilweise eine Zensur des Materials gestattet, das er abdruckt. Das heißt mit großer Wahrscheinlichkeit, dass die Öffentlichkeit nichts über den Inhalt der 4.330 Dokumente erfahren wird, die „so explosiv sind, dass sie als ‚NOFORN’ eingestuft sind,“ was bedeutet, dass Ausländer, inklusive Präsidenten, Ministerpräsidenten und Geheimdienste, die mit der CIA bei der Informationsbeschaffung zusammenarbeiten, diese Dokumente nicht lesen dürfen. Möglicherweise wird auch der Inhalt der als „geheim“ klassifizierten 16.652 Depeschen der Öffentlichkeit nicht enthüllt werden.

Höchstwahrscheinlich wird sich die Presse, ausgehend von den Interessen ihrer Leser, auf Tratsch und wenig schmeichelhafte Bemerkungen konzentrieren, die Amerikaner über ihre ausländischen Kontrahenten gemacht haben. Das wird für einiges Gelächter sorgen. Auch wird die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika versuchen, die Medien in Richtungen zu lenken, die ihren politischen Zielen förderlich sind.

In der Tat hat das bereits begonnen. Am 29. November betonte National Public Radio (NPR – der amerikanische „Kultursender“, d.Ü.), dass die Dokumente zeigten, dass der Iran sogar in der muslimischen Welt isoliert ist, was es für die Israelis und Amerikaner leichter macht, ihn anzugreifen. Die veröffentlichten Depeschen enthüllen, dass der ägyptische Präsident, eine amerikanische Marionette, den Iran hasst, und dass die saudiarabische Regierung schon lange die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika dazu drängt, den Iran anzugreifen. Mit anderen Worten, der Iran ist so gefährlich für die Welt, dass sogar seine Glaubensgenossen wollen, dass der Iran vom Antlitz der Erde gefegt wird. 

NPR präsentierte ein paar einseitige „Iranexperten,“ die den Iran und seine Führung anschwärzten und erklärten, dass die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika dadurch, dass sie der Forderung ihrer Alliierten im Mittleren Osten nicht nachgab, die Rolle des Gemäßigten spiele. Die Tatsache, dass Präsident George W. Bush den Iran zu einem Mitglied der „Achse des Bösen“ erklärt und wiederholt gedroht hat, den Iran anzugreifen, und dass Präsident Obama mit diesen Drohungen fortgefahren ist – Admiral Michael Mullen, der Vorsitzende des Generalstabs der Vereinigten Staaten von Amerika, hat gerade wieder einmal betont, dass für die Vereinigten Staaten von Amerika die Option auf einen Angriff nicht vom Tisch ist – werden von den amerikanischen „Iranexperten“ nicht als Hinweise auf etwas anderes als die gemäßigte Rolle der Amerikaner eingestuft.   

Irgendwie ist es noch nicht in die Nachrichtenredaktion von NPR durchgesickert, dass nicht der Iran, sondern Israel routinemäßig Zivilisten in Libanon, Gaza und der West Bank tötet, und dass es nicht der Iran ist, sondern die Vereinigten Staaten von Amerika und deren NATO-Söldner, die die Zivilbevölkerung in Irak, Afghanistan, Jemen und Pakistan abschlachten.

Der Iran hat noch keinen seiner Nachbarn überfallen, aber die Amerikaner überfallen Länder rund um die halbe Erde.

Die „Iranexperten” stellten den Hass der saudischen und ägyptischen Herrscher auf den Iran als Rechtfertigung der Dämonisierung des Iran durch die Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika und Israels hin. Nicht ein „Iranexperte“ war imstande aufzuzeigen, dass die Tyrannen, die Ägypten und Saudiarabien beherrschen, den Iran fürchten, weil die iranische Regierung die Interessen der Moslems vertritt, während die Regierungen Ägyptens und Saudiarabiens die Interessen der Amerikaner vertreten.

Versuchen Sie nachzufühlen, wie es ist, als Tyrann die Hoffnungen seines eigenen Volkes zu unterdrücken, um der Hegemonie eines fremden Landes zu dienen, während eine muslimische Regierung in einem Nachbarland sich bemüht, die Unabhängigkeit ihres Volkes vor fremder Beherrschung zu schützen.

Zweifelsohne bekommen die Tyrannen große Angst. Was, wenn ihre unterdrückten Untertanen auf Ideen kommen? Kein Wunder, dass die saudischen und ägyptischen Herrscher wollen, dass die Amerikaner das unabhängigkeitsbewusste Land beseitigen, das ein schlechtes Vorbild für die ägyptischen und saudischen Untertanen ist.

Solange der Dollar noch so viel wert ist, dass man damit fremde Regierungen kaufen kann, wird Information, die der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika schadet, keine besonderen Auswirkungen haben. Wie Alain de Lille vor langer Zeit sagte: „Geld ist alles.“

 
     
  Erschienen am 1. Dezember 2010 auf > http://www.antiwar.com > Artikel  
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