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  Kaschmir – die gefährlichste Grenze der Welt

Eric S. Margolis

Die staatliche Menschenrechtskommission des unter indischer Herrschaft stehenden Teils von Kaschmir berichtete, ihre Untersuchungsorgane hätten 2,156 Leichen gefunden, begraben in unmarkierten Gräbern an 38 Orten. Die meisten waren junge Männer. Viele hatten Schußverletzungen.

So grausig und schrecklich diese Entdeckung war, von den Alliierten Indiens, namentlich von den Vereinigten Staaten von Amerika und vom Vereinigten Königreich, die ein solches Gezeter über tote Zivilisten in Libyen, Iran und Syrien veranstaltet hatten, war kaum ein Pieps zu vernehmen. Indien ließ den Bericht Bericht sein. 

Da könnten noch viel mehr Leichen gefunden werden. Die meisten von ihnen, oder alle, waren das Ergebnis des Jahrzehnte alten Aufstandes der kaschmirischen Moslem-Mehrheit gegen die oft brutale indische Herrschaft, die die Außenwelt weitgehend ignoriert hat. 

Der sagenhafte Staat Kaschmir liegt in majestätischer Isolation mitten in den sich auftürmenden Gebirgsketten, die die Ebenen Indiens von den Steppen und Wüsten Zentralasiens trennen. Die Geopolitiker des 19. Jahrhunderts bezeichneten Kaschmir als einen der wichtigsten strategischen Angelpunkte der Welt.

Das historische Kaschmir mit seinen markanten indo-europäischen und tibetisch-mongolischen Völkern wurde schließlich zwischen drei Staaten aufgeteilt: Indien, Pakistan und China.

Rund neun Millionen Kaschmirer leben in den von Indien beherrschten zwei Dritteln von Kaschmir, über drei Millionen im pakistanischen Anteil, auch bekannt unter dem Namen „Azad Kashmir“ oder in Pakistan, und eine kleinere Anzahl auf dem kalten Aksai Chin-Plateau in über 5.000 m Höhe.

Die kaschmirischen Tibeter leben hauptsächlich im von Indien beherrschten Ladakh, welches lange als „Kleintibet” bezeichnet wurde. Dort hat sich die tibetische Kultur viel besser erhalten als im von China beherrschten Tibet.  

Als das imperiale Großbritannien 1947 Indien aufteilte, optierte der Hindu-Maharadscha von Kaschmir für den Beitritt zur neuen Indischen Union. 77% seiner Untertanen waren allerdings Moslems (20% Hindus, 3% Sikhs und Buddhisten). Die muslimischen Kaschmirer wollten dem neu gegründeten Pakistan beitreten. Kämpfe brachen aus. Indien und Pakistan ließen ihre Truppen aufmarschieren. 

Die Waffenstillstandsgrenze, an der die Auseinandersetzung endete, wurde zur de facto-Grenze zwischen den von Indien und Pakistan beherrschten Teilen Kaschmirs. Indien beansprucht ganz Kaschmir einschließlich des von den Chinesen besetzten Aksai Chin. Auch Pakistan beansprucht das gesamte Kaschmir. Die Vereinten Nationen verlangten eine Volksabstimmung, um diese Angelegenheit zu entscheiden. Pakistan stimmte zu, Indien lehnte die UNO-Resolution ab.

Indien und Pakistan haben drei richtige Kriege wegen Kaschmir ausgetragen und unzählige Grenzzwischenfälle, von denen ich selbst einige beobachtet habe. Vergangene Woche wurden drei pakistanische Soldaten an der kaschmirischen Grenze (genannt Kontrollgrenze) durch indisches Feuer getötet.

Heute stehen sich in Kaschmir hunderttausende pakistanische und indische Soldaten gegenüber, und hinter diesen eine zunehmende Anzahl von taktischen Atomwaffen, die in einem Drei-Minuten-Alarmzustand stehen. Kaschmir ist die gefährlichste Grenze der Welt.

Die kaschmirischen Moslems haben sich der indischen Herrschaft seit 1947 widersetzt. Anfang der 1990er Jahre kam es zu massiven Aufständen gegen die indische Herrschaft, welche durch 500.000 Soldaten und eine wenig disziplinierte Polizei aufrecht erhalten wurde. Der pakistanische Geheimdienst begann mit der Ausbildung von kaschmirischen „Mujahidin“ und schickte diese über die Grenze, um die Aufstände anzuheizen. Die pakistanische geheime Unterstützung schwand allerdings nach 9/11.

Die indischen Behörden gaben die Schuld an den Aufständen „muslimischen Terroristen.” Die indischen Sicherheitskräfte schlugen mit äußersten Brutalität zurück, was dazu führte, dass indische Menschenrechtsgruppen die Unterdrückung anprangerten. 

Muslimische Dörfer wurden niedergebrannt, Verdächtige wurden gefoltert, muslimische Frauen wurden von indischen Grenzpolizisten vergewaltigt, viele junge muslimische Männer wurden aus den Dörfern geholt und verschwanden einfach.

Jetzt wissen wir, wohin ihr Weg geführt hat – in die vielen nicht gekennzeichneten Gräber, die im vergangenen Monat entdeckt worden sind.

Geschätzte 80.000 Bewohner Kaschmirs sind bisher in den Aufständen getötet worden, die meisten von ihnen Moslems. Auch Moslems begingen blutige Gräueltaten gegen Hindus und Sikhs. Jetzt fordern die indischen Menschenrechtsgruppen, dass die indischen Höchstgerichte die Verbrechen untersuchen, die in Kaschmir begangen worden sind, diesen ein Ende bereiten und die Schuldigen bestrafen.

Die Fortsetzung der Doppelmoral auf unserer Seite ist nicht vertretbar. Die Alliierten Indiens müssen Delhi ermutigen, sich dieser hässliche Angelegenheit zu stellen und diesem Schandfleck der Demokratie und des guten Rufs Indiens ein Ende zu bereiten.

Eine Lösung der Auseinandersetzungen in Kaschmir wird die größte Gefahr entschärfen, vor der die Menschheit steht: einen Atomkrieg zwischen Indien und Pakistan, der gleich zu Beginn zwei Millionen Menschen töten könnte und 100 Millionen in der Folge, und Wolken radioaktiven Staubs rund um den Erdball verbreiten. 

Kaschmir hat die Beziehungen vergiftet zwischen den Schwesternationen Pakistan und Indien, die in diesem nutzlosen Konflikt gefangen sind. Schlaue indische Diplomatie hat den Kaschmirkonflikt lange im Dunkel gehalten. 

Die Lösung: Streichung aller Grenzen und Umwandlung Kaschmirs in eine autonome, entmilitarisierte Freihandelszone.

 
     
  erschienen am 6. September auf > THE HUFFINGTON POST > Artikel  
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