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  Eurokrise: der britische finanzielle Brandstifter kehrt an den Tatort zurück

Finian Cunningham

Der Brandstifter Finanzkapitalismus, der von Großbritannien vor 25 Jahren entfesselt wurde, steckt im Herzen der tobenden europäischen Schuldenprobleme. 

Man muss den Messingkragen des britischen Premierministers David Cameron entweder bewundern oder zurückschrecken vor seiner arroganten Dummheit. Das kluge Geld wird wahrscheinlich letzteres tun. 

Hier war es der britische Führer, der zum Gipfel der Europäischen Union strebte, welcher letzte Woche zusammenkam, um die EU aus ihrer terminalen Schuldenkrise zu „retten” – einer Krise, die das Überleben der gemeinsamen Währung Euro und die politische Zukunft der Europäischen Union bedroht und vielleicht sogar die Totenglocke für die zusammenbrechende kapitalistische Weltwirtschaft läuten könnte.

Dennoch wollte Cameron angesichts der vorliegenden Probleme nichts anderes machen als die Krise auszubeuten, um noch mehr Zugeständnisse für die Londoner Börse herauszuschlagen. Dermaßen eigensüchtiger Opportunismus wurde von seinen deutschen und französischen Partnern zurückgewiesen, worauf Cameron mit den Füßen stampfte und erklärte, dass das Vereinigte Königreich sein Veto einlegen werde gegen Pläne der EU für strengere finanzielle Kontrollen von Mitgliedsstaaten. Das britische Veto könnte jetzt die Möglichkeiten der EU beeinträchtigen, die Finanzmärkte zu besänftigen, die Tag für Tag Riesengewinne für sich herausholen mit exorbitant hohen Zinsen auf Staatsanleihen. 

Nicht dass die Führer der anderen 26 EU-Staaten handeln würden wie edle Ritter in glänzenden Rüstungen, die sich bemühen, ihre Bevölkerungen von weiteren wirtschaftlichen Leiden zu beschützen. Das überarbeitete EU-Abkommen, das sie im Kopf haben, wird dieses Leiden nur vertiefen durch steigende Sparmaßnahmen und Einschnitte für die Mehrheit der Menschen in ganz Europa. Die Finanz- und Wirtschaftspolitik der Mitgliedsländer wird von jetzt an von der Europäischen Zentralbank und vom Internationalen Währungsfonds diktiert werden. Das heißt, dass die nationale Souveränität, die angeblich den Menschen dient, je nachdem wen sie wählen, ersetzt werden soll durch die Herrschaft von nicht gewählten Bankern und Technokraten. Auf sehr reale Weise dient die Schuldenkrise in Europa dazu, eine Diktatur des Finanzkapitalismus einzuleiten. Paul Craig Roberts schrieb vor kurzem in Hinblick auf die EU: „Die Banken haben übernommen" (s.Link).

Ironischerweise sind es die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr französischer Mitarbeiter Präsident Nicolas Sarkozy, welche als erste den europäischen Kontinent in die Arme dieser Diktatur treiben. 

Wie auch immer, Camerons Ein-Mann-Kreuzzug auf dem EU-Gipfel war kein Akt churchill´scher Widerständigkeit, um die Rechte der Menschen angesichts des Finanzfaschismus zu verteidigen. Unter seinem derzeitigen konservativen Führer wurde Großbritannien geknüppelt mit einem der drakonischsten Sparbudgets in Europa, das sich erbarmungslos gegen die arbeitenden Menschen richtet und ganz bewusst darauf abzielt, die Finanzmärkte in jeder Beziehung zu beschwichtigen. In der Tat ist die Regierung Camerons einer der Hauptbefürworter von tieferen Einschnitten in die Sozialausgaben im Rest Europas.

Die Auffassung, dass der britische Führer irgendwie eine Art bekämpft-sie-an-den-Ufern-Standpunkt gegenüber anderen europäischen Führern/Quislingen des Finanzkapitals eingenommen hätte, ist daher lachhaft.

Und noch lachhafter ist, dass das einzige Ziel Camerons und seines Außenministers William Hague war, Zugeständnisse für die City of London sicherzustellen. Viele Menschen in Europa haben guten Grund anzunehmen, dass es die City of London und Ihr Typ des Finanzkapitalismus sind, die von Anfang an die Schuldenkrise geschaffen und heraufbeschworen haben.

Es war Camerons vielbewunderte Vorgängerin Margaret Thatcher, die die systematische Deregulierung der Londoner Börse managte, die 1986 begann mit dem, was als „Big Bang” bekannt wurde – die völlige Abschaffung der Kontrolle über finanzielle Transaktionen. Von da an entwickelte sich die britische Wirtschaft von einer, die auf Herstellung und Produktion beruhte zu einer, die gekennzeichnet ist durch Finanzspekulation. London wurde die Geldhauptstadt der Welt und überflügelte New York. Die Finanzialisierung anderer Wirtschaften sollte dem britischen wirtschaftlichen Weg der verbrannten Erde folgen, nachdem die neue Kultur der räuberischen Finanziers und Investoren Spekulationsgewinne benutzte, um Grundlagen der Produktion den Bach hinunter gehen zu lassen.

Die Deregulierung von Finanzmärkten war eine Vorzeigepolitik der nachfolgenden britischen Regierungen, egal ob von den Konservativen oder von Labour gebildet. Sie brachte einen Schwall von „finanziellen Innovationen“ hervor, wie etwa feindliche Übernahmen, Gesundschrumpfen, Leerverkauf und Handel mit Derrivaten, wobei Geld und Schulden fiktiv wiederverwertet und vervielfältigt wurden – mit unweigerlich katastrophalen Folgen. Das ist natürlich die unweigerliche historische Dynamik des Spätkapitalismus. Dieses System tendiert dazu, massive Armut aufzutürmen und wird dabei unfähig, Güter und Dienstleistungen zu produzieren, da das herkömmliche Profitsystem das nicht mehr schafft. Das ist der Grund dafür, dass der Spätkapitalismus sich mehr und mehr zu einer Art von schuldengeplagter finanzieller Brandlegung gewandelt hat, um rücksichtslos die letzten Profitreserven zu erkämpfen.

In vergangenen Jahrhunderten war es England, das den industriellen Kapitalismus erneuerte. Am Ende des 20. Jahrhunderts waren es die Briten (und ihre anglo-amerikanischen Täter), die die fragwürdige Ehre haben, den Finanzkapitalismus auf den Rest der Welt losgelassen zu haben. Die neue Art Kapitalismus kann direkt hinverfolgt werden zum Zusammenbruch von Banken und Institutionen wie etwa Barings, Lehman Brothers und Long-Term Capital Management, und zum Zusammenbruch von Pensionsfonds und Anlagevermögen, was Millionen Menschen zu Schuldnern gemacht hat. Und jetzt kann diese besondere britische Innovation des Brandstifterkapitalismus hinverfolgt werden zum Zusammenbruch von ganzen Ländern.

Das Spektakel des bankrotten David Cameron, der hinüber nach Europa stolziert, um von ähnlich bankrotten europäischen Regierungen mehr deregulatorische Zugeständnisse für die City of London zu fordern, ist ungefähr so unfassbar wie ein Brandstifter, der an den Tatort zurückkehrt – und mehr Benzin verlangt.

 
     
  erschienen am 14. Dezember 2011 auf > Global Research > Artikel  
 
   
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  Jean-Paul Pougala - Die Lügen hinter dem Krieg des Westens gegen Libyen
  Paul Craig Roberts - Die Wege in den Krieg und wirtschaftlichen Zusammenbruch
  Paul Craig Roberts - Westliche Demokratie: Eine Farce und ein Schwindel
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