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  Gemeinwesen im Fadenkreuz 

Robert C. Koehler

 

Wir haben den Irak in einen Trümmerhaufen verwandelt, wir haben uns zurückgezogen, wir sind wieder losgezogen in Anaheim.

So geht das nicht, Leute – ich meine Gummigeschosse in von Schmerz geplagte Menschenmengen zu schießen, Kampfhunde gegen Mütter und Kinder zu hetzen. Ich meine Feinde zu erfinden, in den Krieg zu ziehen, modernste Feuerkraft in alle Richtungen einzusetzen und letzendlich zu verlieren, aber nicht ehe wir den Unschuldigen größtmögliches Leid zugefügt und das ursprüngliche Problem verzehnfacht haben.

Wir verlieren jeden Krieg, in den wir ziehen.

Anders gesagt: wir verschlimmern jedes Problem, das wir militarisieren. In der Tat ist die Militarisierung ein ebenso großer Teil des Problems – eine ebenso große Bedrohung der Zivilisation – wie zum Beispiel Terrorismus und Drogen. Und der vor kurzem erfolgte Aufstand des Gemeinwesens in Anaheim, Kalifornien, wegen der Tötung von zwei Latino-Männern innerhalb eines Wochenendes durch die Polizei – und die auf diese allgemeine Empörung folgende Reaktion der Polizei – illustriert die erschreckende Wirkungslosigkeit eines militarisierten „wir gegen sie“-Herangehens an den Konflikt.

„Sie ließen einfach den Hund los und ich hatte mein Baby,“ berichtet eine Frau dem TV-Reporter und bricht in Tränen aus. „Der Hund verletzte mich mit seinen Zähnen.“

Das geschah am 21. Juli, unmittelbar nach der Erschießung von Manuel Diaz, 25 Jahre alt. Er war unbewaffnet. Die Liquidierung war so rau und schockierend – er lief, die Polizei schoss, er lag sterbend auf dem Boden, während die Polizei Zeugen zurückstieß und das Gebiet mit gelben Bändern abgrenzte – dass sich eine Menschenmenge sammelte, entsetzt, und begann, die Polizei anzuschreien. Dann wurde die Menge zum Problem.

Das alles ist Irak oder Afghanistan, aber im eigenen Land. Arme, von Minderheiten bewohnte Siedlungen entsprechen der Dritten oder Vierten Welt. Gibt es ein Bandenproblem, behandle jeden jungen Mann wie einen Aufständischen. Behandle den Rest der Gemeinschaft mit Argwohn und Verachtung. Behandle jeden als den Feind.

Am nächsten Tag erschoss die Polizei Joel Acevedo, 21 Jahre alt, ebenfalls bei einer Verfolgung zu Fuss. Er hätte auf sie während der Verfolgung geschossen, sagte die Polizei. Ein paar Tage später schoss die Polizei auf einen wegen eines Einbruchs Verdächtigten, der unverletzt blieb. Das ergab sieben Schießereien „mit Polizeibeteiligung“ in Anaheim, fünf davon mit tödlichen Folgen, im Jahr 2012. Die meisten Opfer waren Latinos, und Anaheims vorwiegend aus Latinos bestehendes Gemeinwesen nennt das Rassismus. Die Polizeisprecher halten dagegen, dass die getöteten Männer Bandenmitglieder waren. Diaz war, Gott sei´s geklagt, bekannt als „Stomper“.

Was die Polizei von Anaheim offensichtlich nicht zugibt, ist, dass das keine Rolle spielt und dass ihre Aufgabe als Erhalter des Friedens nicht einfach darin besteht, „den Feind“ auszumerzen. Ein Gemeinwesen zu schützen ist viel komplizierter als das und verlangt zu allererst, dass man selbst Teil dieses Gemeinwesens ist, statt dieses im Fadenkreuz zu behalten.

Aber die Militarisierung der Kriminalitätsprävention war ein zunehmendes Phänomen in örtlichen Polizeidepartments seit den 1980ern, als die Reagan-Administration mit ihrem Krieg gegen die Drogen begann und skeptische Polizeidepartments im ganzen Land mit der Verlockung freier militärischer Waffen verführte, mit dabei zu sein.

„Der Übergang von der ‚gemeinwesenorientierten Polizei’ zur ‚militarisierten Polizei’ begann 1981,“ schrieb Michelle Alexander in The New Jim Crow, „als Präsident Reagan den Kongress überredete, die militärische Zusammenarbeit mit dem Ermächtigungsgesetz zu beschließen, das das Militär ermutigte, der lokalen, Staats- und Bundespolizei Zugang zu gewähren zu Militärbasen, Geheimdiensten, Forschung, Waffen und anderer Ausrüstung für die Durchsetzung des Drogenverbots.“

Zwei Jahrzehnte später, nach 9/11, wurde die Militarisierung von Amerikas Polizei intensiviert, als die Bush-Administration die lokalen Departments in den Krieg gegen den Terror hineinzog. „Jetzt gehen Polizisten routinemäßig auf Streife mit Sturmgewehren und tragen schwarze Kampfuniformen,“ schrieben Arthur Ritzer und Joseph Hartman im vergangenen November in The Atlantic.

Die schwerwiegendste Konsequenz der Militarisierung der Polizei ist nicht eine „Inflation der Waffen,“ schrieben sie, sondern „die subtile Entwicklung der Mentalität der ‚Männer in Blau’ vom ‚Friedensbeamten’ zum Soldaten.“

Ein Polizeibeamter hat die Aufgabe, den Frieden zu erhalten. „Im Gegensatz dazu,“ schrieben sie, „sind Soldaten dafür ausgebildet, die Menschen, mit denen sie zu tun haben, als zugehörig zu einer von zwei Gruppen zu identifizieren – dem Feind und dem Nicht-Feind – und oft treffen sie diese Entscheidung, während sie umgeben sind von einer Bevölkerung, die den Soldaten als Besatzungsmacht betrachtet. Sobald diese Identifizierung erfolgt ist, lautet der Auftrag eines Soldaten ausdrücklich und einfach: Töte den Feind ... tatsächlich heißt es in der Eidesformel des Soldaten: ‚Ich stehe bereit, gegen die Feinde der Vereinigten Staaten von Amerika zu ziehen, zu kämpfen und sie im Kampf zu vernichten.’ Das ist weit entfernt vom Credo des Friedensbeamten, das von seinen Anhängern erwartet, dass sie ‚beschützen und dienen.’“

In einer Zeit, in der die Spannungen in unserem problembelasteten Land immer schärfer und schärfer werden, ist das letzte, was wir brauchen, inländische Kriegsdepartments, die Wohngebiete der Armen und der Arbeiterklasse besetzen und mit Gewalt diese Spannungen verstärken und, während sie das tun, den historischen Rassismus schüren. Das letzte, was wir brauchen, sind militarisierte Schnelllösungen, die dazu führen, dass unsere Probleme metastasieren.

 
     
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