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  Ein Prozess, der uns alle schuldig sprechen wird

Paul Craig Roberts

Khalid Sheikh Mohammed

Republikanische Kongressabgeordnete und was sich als „konservative” Medien ausgibt regen sich darüber auf, dass die Administration Obama ein Strafverfahren vor dem Bundesgerichtshof gegen Khalid Sheikh Mohammed, das angebliche Superhirn hinter 9/11 und vier angebliche Mitverschwörer veranstalten will. 

Das aus dem republikanischen und aus dem rechten Lager kommende Gerede, dass ein Verfahren zu gut für diese Leute sei, beweist wieder einmal, was ich schon seit Jahren geschrieben habe: Republikaner und viele Amerikaner, die sich für konservativ halten, scheren sich nicht um die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika oder um die Bürgerrechte. Sie haben nichts übrig für das, was Thomas Paine in seinen Abhandlungen über die obersten Prinzipien der Regierung (1790) ausgeführt hat: „Die Begierde nach Bestrafung ist immer gefährlich für die Freiheit. Sie bringt Menschen dazu, auch die besten Gesetze zu dehnen, falsch auszulegen und falsch anzuwenden. Wer seine eigene Freiheit sichern will, muss sogar seinen Feind vor Unterdrückung schützen; wenn er diese Pflicht verletzt, schafft er einen Präzedenzfall, der ihn selbst treffen wird.“

Republikaner und amerikanische Konservative halten die Bürgerrechte für Streichelinstrumente für Kriminelle und Terroristen. Sie gehen davon aus, dass Polizei und Staatsanwälte moralisch sauber sind und außerdem nie Fehler machen. Eine beschuldigte Person ist schuldig, sonst hätte die Regierung gegen sie keine Anklage erhoben. Mein ganzes Leben lang hörte ich selbsternannte Konservative Rechtsanwälte verunglimpfen, die Straftäter verteidigen. Solche „Konservative“ leben in einer idealen, nicht in der realen Welt. Sie sollten dringend The Tyranny of Good Intentions (Die Tyrannei der guten Absichten, s.u.) lesen.  

Sogar einige von denen, wie Stuart Taylor im National Journal, die die Abhaltung eines Gerichtsverfahrens gegen Mohammed verteidigen, tun das davon ausgehend, dass damit keine Risiken verbunden sind, da Mohammed sicher verurteilt werden wird und dass „ein ziviles Verfahren den Amerikanern und dem Rest der Welt zeigen wird, dass unsere Regierung sich sicher ist, die Schuld der wegen 9/11 Angeklagten im fairsten aller Gerichte nachweisen zu können.“

Taylor stimmt zu, dass Mohammed eine „standrechtliche Exekution“ verdient, dass es aber ein guter machiavellischer Trick ist, Mohammed vor ein ziviles Gericht zu stellen, während Fälle, bei denen die „Beweislage viel schwieriger ist“, vor „flexibleren Militärkommissionen, die nicht im hellsten Rampenlicht stehen“ abgehandelt werden.     

Mit anderen Worten, Stuart Taylor und das National Journal befürworten den Prozess gegen Mohammed als Schauprozess, der sowohl Amerikas ehrenwerten Respekt vor fairen Gerichtsverfahren beweist als auch die Schuld der Moslems für den 9/11.

Wenn, wie Taylor schreibt, „die Beweise der Regierung so überzeugend sind,“ warum wurde Mohammed nicht schon vor Jahren vor Gericht gestellt? Warum wurde er jahrelang eingesperrt und gefoltert – anscheinend 183 Mal mit der Wasserfolter („Waterboarding“) – gegen die Gesetze der Vereinigten Staaten von Amerika und die Genfer Konventionen? Wie kann die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika einen Angeklagten vor Gericht stellen, wenn dessen Behandlung gegen U.S.-Verfassungsrecht, Internationales Recht und jeden Grundsatz in den U.S.-Gesetzen verstößt? Mohammed wurde behandelt wie ein Gefangener von Hitlers Gestapo oder Stalins KGB. Und jetzt sind wir dabei, ihn in einem Schauprozess fertig zu machen.

Wenn die barbarische Behandlung, der Mohammed während seiner Gefangenschaft unterzogen wurde, ihn nicht in den Wahnsinn getrieben hat, wie sollen wir wissen, ob er sich nicht dazu entschlossen hat zu gestehen, um für alle Zeiten für sich den Ruhm der Tat zu vereinnahmen? Wie viele Menschen können sagen, sie hätten die CIA, die National Security Agency und alle 16 U.S.-Geheimdienste, NORAD, das Pentagon, das National Security Council, die Flughafen-Sicherheitsbehörden (vier Mal an einem Morgen), die U.S.-Luftverkehrskontrolle, die U.S.-Luftwaffe, die Generalstabschefs der Armee, alle Neocons, den Mossad, und sogar den formidablen Dick Cheney ausgetrickst?

Wenn man bedenkt, dass ein paar Moslems sich selbst in die Luft sprengen werden, um eine Handvoll Israelis oder U.S. oder NATO-Okkupationstruppen aus dem Verkehr zu ziehen, wird der Erfolg, den Mohammed aus einem Schuldspruch zieht, enorm sein. Sind wir uns wirklich sicher, dass wir einen Moslem-Superhelden dieser Größenordnung schaffen wollen?

Laut der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika war ursprünglich Osama bin Laden das Superhirn hinter dem 9/11. Bin Laden zu bekommen ist der Vorwand für die Invasion Afghanistans durch die Vereinigten Staaten von Amerika, die die Invasion des Irak vorbereitete. Nach acht Jahren totaler Erfolglosigkeit bei der Jagd auf Osama bin Laden wurde es absolut erforderlich, einen Schuldigen zu verurteilen, da die Bewegung, die die Wahrheit über 9/11 erfahren will, zu stark wird. 

Wenn Mohammed wirklich das Superhirn ist, das das Beste, was Amerika zu bieten hat, bezwungen hat, einschließlich der tausenden Geheimagenten und strategischen Denker, die für den Schutz unseres Landes verantwortlich sind, ist er ein erstklassiges Genie. Was für eine Verschwendung ihn hinzurichten! Sollten wir nicht zuerst versuchen, ihn umzudrehen? Hätten wir einen Mann wie Mohammed auf unserer Seite, der für Homeland Security (Sicherheit des Heimatlands) zuständig ist, wären wir sicher für alle Zeiten. Angeblich sind Araber korrupt und können leicht bestochen werden. Wenn wir die Herrscher von Ägypten, Jordanien und Pakistan bezahlen können, damit sie in unserem Interesse gegen ihre Leute vorgehen, wie wissen wir, dass wir nicht auch Mohammed bei uns anstellen können? Ich kann mir diesen Mann als hochbezahlten Berater für Homeland Security vorstellen. Zusätzlich zum Geld könnten wir einige Zugeständnisse machen, zum Beispiel damit aufhören, muslimische Wohltätigkeitsorganisationen zu verfolgen und die unschuldigen Menschen, die diesen Geld spenden. Nach Stuart Taylors Logik wäre das ein guter „pragmatischer“ Schachzug.  

Leider wird es kein derart vernünftiges Ergebnis geben. David Feige hat uns mitgeteilt, was herauskommen wird (Slate vom 19. November). Die Staatsanwaltschaft braucht keinerlei Beweis, da kein Richter und keine Jury das dämonisierte „Superhirn des 9/11“ freisprechen werden. Kein Richter oder Jurymitglied will für immer von der gehirngewaschenen amerikanischen Öffentlichkeit verdammt sein oder durch verrückte Rechtsextremisten umgebracht werden. Man vergesse nicht, das der junge John Walker Lindh, von ignoranten und propagandistischen U.S.-Medien als „amerikanischer Taliban“ abqualifiziert, keiner anderen Handlung schuldig war als zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein. Obwohl sämtliche seiner Rechte mit Füßen getreten worden waren, bekam er 20 Jahre nach einer erzwungenen Vereinbarung im Strafprozess.  

Der Preis, den Mohammed bezahlen wird, wird klein sein im Vergleich zu dem Preis, den wir Amerikaner bezahlen werden. Der Ausgang von Mohammeds Verfahren wird die Transformation des Justizsystems der Vereinigten Staaten von Amerika von einem Schild zum Schutz der Menschen in eine Waffe in den Händen des Staates vollenden. Feige schreibt, dass Mohammeds durch Folter erreichte Geständnisse nicht für ungültig erklärt werden, dass es keine Zeugen gegen ihn geben wird („nationale Sicherheit“), dass Dokumente, die die Strafverfolgung kompromittieren redigiert werden. 

In jeder Phase von Mohammeds Berufungsverfahren werden höhere Gerichte die Versagung des verfassungsmäßigen Rechtes auf ein zügiges Verfahren als legalen Präzedenzfall festschreiben und damit unbefristete Anhaltung festschreiben, das Recht, vor dem Verfahren nicht öffentlich vorverurteilt zu werden versagen und dadurch die Dämonisierung schon vor dem Verfahren erlauben, und durch die Vorenthaltung des Rechts, Zeugen und Beweise beizubringen, die Rechte eines Beschuldigten auf das Vorbringen entlastender Beweise und die Konfrontation gegnerischer Zeugen bedeutungslos machen. Die verdrehte Logik, die es braucht, um Mohammeds Folter von seinem Geständnis auseinanderzuhalten, wird ebenfalls aufrecht erhalten werden und „der Regierung eine Blaupause liefern und ihr die Beute geben, hinter der sie die ganze Zeit her war – eine legale Möglichkeit, beides zu tun, zu foltern und strafrechtlich zu verfolgen.“

Hitler brauchte seine Zeit, um die deutschen Gerichte zu korrumpieren. Hitler musste zuerst neue Gerichte einrichten, wie Präsident George W. Bushs Militärtribunale, die keine Beweise brauchten, denen statt Beweisen Gerüchte, geheime Beschuldigungen und durch Folter erreichte Geständnisse genügten.

Jeder Amerikaner sollte darüber beunruhigt sein, dass die Administration Obama beschlossen hat, Mohammeds Gerichtsverfahren für die endgültige Korrumpierung des amerikanischen Justizsystems zu verwenden. Wenn das Gerichtsverfahren gegen Mohammed vorbei ist, wird ein amerikanischer Joe Stalin oder Adolf Hitler in der Lage sein, Amerikas Gründungsväter wegen Hochverrat und Terrorismus zu verurteilen. Niemand wird sicher sein.

 
     
  erschienen am 24. November 2009 auf > Foreign Policy Journal > http://www.foreignpolicyjournal.com/2009/11/24/a-trial-that-will-convict-us-all/  
  Paul Craig Roberts war stellvertretender Finanzminister in der Regierung Reagan. Er ist Verfasser von „Supply-Side Revolution: An Insider‘s Account of Policymaking in Washington“ (Revolution der Anbieterseite: Bericht eines Insiders über Politik in Washington), von „Alienation and the Soviet Economy“ (Entfremdung und die sowjetische Wirtschaft) und von „Meltdown: Inside the Soviet Economy“ (Kernschmelze: Innenansicht der sowjetischen Wirtschaft), sowie gemeinsam mit Lawrence M. Stratton von „The Tyranny of Good Intentions: How Prosecutors and Bureaucrats Are Trampling the Constitution in the Name of Justice“ (Tyrannei der guten Absichten: Wie Strafverfolger und Bürokraten die Verfassung im Namen der Gerechtigkeit mit Füßen treten). Er war Co-Redakteur der Kommentarseite des Wall Street Journal und Mitherausgeber der National Review.  
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