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  Israels Argumente gegen den Frieden

Jonathan Cook

Mit der Wiederaufnahme der Bautätigkeit an den Siedlungen in der West Bank am Montag hofft die mächtige Siedlerbewegung Israels, dass sie den Friedensgesprächen mit den Palästinensern den Garaus gemacht hat. 

Man würde sich allerdings täuschen in der Annahme, dass das einzige wesentliche Hindernis für den Erfolg der Verhandlungen die rechtsgerichtete politische Ideologie ist, die die Siedlerbewegung repräsentiert. Gleich bedeutsam sind tief verankerte wirtschaftliche Interessen, die sich durch die ganze israelische Gesellschaft ziehen. 

Diese Interessen wurzeln seit über sechs Jahrzehnten seit der Gründung Israels und sind mit immer größerer Geschwindigkeit gewachsen, seit Israel nach dem Krieg 1967 die West Bank und den Gazastreifen okkupierte.  

Sogar viele israelische Juden, die innerhalb der anerkannten Grenzen Israels leben, räumen privat ein, dass sie Nutznießer der Aneignung des Landes eines anderen Volkes, von dessen Häusern, Wirtschaftsbetrieben und Bankkonten im Jahr 1948 sind. Die meisten Israelis profitieren direkt von der anhaltenden Enteignung von Millionen von palästinensischen Flüchtlingen.

Vertreter Israels gehen davon aus, dass die internationale Gemeinschaft die Lasten der Rückerstattung für diejenigen tragen wird, die geflüchtet sind. Das Problem für die jüdische Bevölkerung Israels besteht darin, dass die Flüchtlinge, die jetzt im Exil leben, nicht die einzigen sind, die enteignet worden sind. 

Das Fünftel der israelischen Bürger, die Palästinenser sind, aber die Vertreibungen 1948 überstanden haben, fanden sich danach entweder als intern Vertriebene oder als Opfer eines nachfolgenden Land-Verstaatlichungsprogramms, das ihnen ihren ererbten Besitz wegnahm.

Sogar wenn Mahmoud Abbas, der Präsident der Palästinenser, die Rechte der Flüchtlinge aufgeben würde, hätte er nicht die Macht, das auch für die palästinensischen Bürger Israels zu tun, die so genannten israelischen Araber. Der Frieden, so sehen das viele Israelis, würde eine Büchse der Pandora öffnen von historischen Landrechten palästinensischer Bürger zu Ungunsten von Israels jüdischen Bürgern. 

Die Bedrohung der wirtschaftlichen Interessen israelischer Juden würde jedoch nicht enden mit einer Abrechnung über die Ungerechtigkeiten, die durch die Schaffung des Staates verursacht worden sind. Die Okkupation der palästinensischen Territorien nach 1967 brachte viele weitere mächtige ökonomische Interessen hervor, die gegen den Frieden gerichtet sind.

Die am besten erkennbare Gruppe sind die Siedler, die weitgehend durch Regierungssubventionen und Steuererleichterungen begünstigt wurden, die darauf abzielten, Israelis zu bewegen, sich in der West Bank anzusiedeln. Peace Now („Frieden Jetzt“ – israelische Friedensbewegung) schätzt, dass allein diese Zuwendungen schon mehr als US$ 550 Millionen im Jahr ausmachen.

Weit davon entfernt, eine Randgruppe zu sein, machen die halbe Million Siedler fast ein Zehntel von Israels jüdischer Bevölkerung aus und schließen so prominente Persönlichkeiten wie Außenminister Avigdor Lieberman ein.

Hunderte Wirtschaftsbetriebe, die für die Siedler arbeiten, blühen auf in den 60 Prozent der West Bank, der so genannten Zone C, die der vollen Kontrolle Israels unterstehen. Immobilienhandel und Baugewerbe profitieren besonders vom billig angebotenen Land – und höheren Gewinnen – die sich durch den Diebstahl von den palästinensischen Besitzern ergeben.

Mittlerweile haben sich weitere Betriebe in den Industriezonen von Israels West Bank angesiedelt, wo sie von billigen palästinensischen Arbeitskräften und billigen Grundstücken, steuerlichen Begünstigungen und der laxen Durchsetzung von Umweltschutzmaßnahmen profitieren. 

Ein großer Teil der Tourismusindustrie ist angewiesen auf die Kontrolle der heiligen Stätten im besetzten Ostjerusalem durch Israel.

Dieses Interessengeflecht rankt sich um die „Landwäsche,“ wie Akiva Eldar von der Zeitung Ha’aretz das bezeichnet, unter der Schirmherrschaft von Ministerien der Regierung, staatlichen Institutionen und zionistischen Organisationen. Diese Transaktionen im Trüben schaffen reichliche Gelegenheiten für Korruption und sind zum Hauptgeschäft geworden für Israels Reiche und Mächtige, einschließlich seiner Ministerpräsidenten, wie es den Anschein hat.

Die Segnungen der Okkupation sind aber nicht auf die Zivilbevölkerung beschränkt. Die mächtigste Interessengruppe in Israel – das Militär – hat durch ein Friedensabkommen ebenfalls viel zu verlieren.

Die höheren Ränge der Berufsoldaten Israels und der verwandten Sicherheitsdienste wie der Geheimpolizei Shin Bet wurden im Zuge der Okkupation aufgebläht.

Die Anforderungen, die sich aus der Kontrolle eines anderen Volkes rund um die Uhr ergeben, rechtfertigen hohe Budgets, die neuesten Waffen (viele bezahlt von den Vereinigten Staaten von Amerika) und die Schaffung einer mächtigen Klasse von militärischen Bürokraten.

Während wehrdienstpflichtige Teenager die gefährlichen Tätigkeiten verrichten, gehen die höheren Ränge der Armee mit etwas über vierzig Jahren in Pension, bei voller Bezahlung und mit langen zweiten Karrieren in Wirtschaft oder Politik vor sich. Viele machen weiter, um von den aufblühenden „Heimatland-Sicherheits“-Firmen zu profitieren, in denen sich Israel hervortut. Kleine spezialisierte Betriebe unter der Leitung ehemaliger Generale bieten ehemaligen Soldaten Möglichkeiten, ihre jahrelangen Erfahrungen bei der Durchführung der Okkupation zu verwerten.

Diejenigen, die ihren Dienst in der Westbank und im Gazastreifen abgeleistet haben, lernen schnell, neue Technologien für Überwachung, Massenkontrolle und Kämpfe in städtischen Wohngebieten, die bereitwillige Märkte in Übersee finden, anzuwenden und zu verbessern. Im Jahr 2006 erreichten die israelischen Verteidigungsexporte $ 3,4 Milliarden und machten das Land zum viertgrößten Waffenhändler der Welt. 

Diese Gruppierungen befürchten, dass ein Friedensabkommen und ein Palästinenserstaat Israel über Nacht zu einem unbedeutenden Staat im Nahen Osten verwandeln würden, der bald ohne seine enormen Zuwendungen aus den Vereinigten Staaten von Amerika auskommen müsste. Außerdem wäre Israel gezwungen, die historischen Rechtsverletzungen auszugleichen und die geplünderten Ressourcen der Region einschließlich Land und Wasser den Palästinensern zurückzugeben, und damit den Juden ihre errichteten Ansprüche wegzunehmen.

Eine Kosten–Nutzen-Rechnung deutet darauf hin, dass den meisten israelischen Juden – darunter Ministerpräsident Benjamin Netanyahu – eine wirkliche Lösung ihres Konflikts mit den Palästinensern zu teuer für ihre eigenen Taschen kommen könnte.

 
  Erschienen am 29. September 2010 auf > http://www.antiwar.com > http://original.antiwar.com/cook/2010/09/28/israels-reasoning-against-peace/  
  Dieser Artikel erschien ursprünglich in The National in Abu Dhabi.  
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