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  Libyen: Träume von einer Intervention des Westens

Susil Gupta

Die Krise in Libyen gerät schnell zu einer internationalen Peinlichkeit. Dieses Mal nicht aufgrund von Gaddafis clownhaften Possen, sondern weil sie eine spektakuläre Gelegenheit für die Welt bietet, zu sehen, wie sehr die Macht des Westens im Lauf des vergangenen Jahrzehnts abgenommen hat.

Obwohl sie das mächtigste Land der Erde sind und über einen militärischen Apparat verfügen, der größer ist als der aller anderen Länder zusammen genommen, haben die Vereinigten Staaten von Amerika es offenkundig nicht geschafft, ihre Lösungen in Irak, Afghanistan und Pakistan durchzusetzen. Weit davon entfernt, dass Amerika die Ayatollahs auf die Knie zwingen kann, gewinnt der Iran tagtäglich strategisches Terrain. Die Finanzkrise hat die Macht der Finanzen des Westens gelähmt. Die Zentralbanken des Westens waren gezwungen, in China und in den erdölreichen Ländern um Kredite zu betteln. Die arabische Revolte dieses Jahres hat jetzt den exklusiven Zugriff zunichte gemacht, den die angloamerikanische Herrschaft früher einmal in der Region hatte. 

Und jetzt verspricht Libyen, die Machtlosigkeit des Westens zu offenbaren. Wie Laurence Pope, Ex-Politikberater beim „Central Command“ der Vereinigten Staaten von Amerika und Ex-Botschafter in Tripoli der Zeitung Le Monde in einer ernüchternden Beurteilung sagte, „steckt Washington in einer Situation, in der es nur schlechte Optionen gibt und solche, die noch schlechter sind.“ 

Wie waren die Reaktionen in Europa? Die europäische Linke und die liberale Bourgeoisie bleiben sehr interventionistisch und glauben standhaft an „humanitäre Bombardierungen.“ Sie fordern lautstark eine kräftige Intervention der NATO wie im Balkan gehabt. Ein Leitartikel im linksgerichteten Guardian unterstützt den Aufruf des liberalen Lord Owen, dass „militärische Vorbereitungen getroffen werden und die notwenigen diplomatischen Schritte, in erster Linie mit den Russen und Chinesen eingeleitet werden sollten, um die Autorität der UNO für eine solche Aktion zu bekommen.“ Sollte die Krise weiter gehen, so der Guardian, „müsste eine Bodenintervention überlegt werden. Die ägyptische Armee verfügt über die Ausstattung, andere arabische Länder könnten mitmachen und westliche Kräfte könnten helfen.“ Ja, und bis Weihnachten würde alles vorbei sein.  

Es liegt auf der Hand, dass diese Kriegsenthusiasten das nicht durchdacht haben – in diesem Fall wären sie allerdings auf etwas anderes als Kampf gekommen. Die schlichte Realität ist, dass es keine realisierbaren Möglichkeiten einer militärischen Ingtervention gibt, nicht einmal, wenn die größeren Mächte sich auf einen Interventionsplan einigen könnten, wovon diese sehr weit entfernt sind. Sehen wir uns die Optionen an.

Verhängung einer Flugverbotszone. Das würde ausgedehnte Luftraumüberwachungsflüge durch fremde Luftwaffen erfordern. Diese würden nur wenig bewirken, da die Lufthoheit keine Schlüsselposition in Gaddafis Strategie einnimmt. Dadurch würde allerdings eine Atmosphäre eines größeren Krieges entstehen und Gaddafi einen propagandistischen Vorteil verschaffen.

Schaffung einer militärischen Absperrung oder eines cordons sanitaire um Ostlybien, um die Positionen der Aufständischen zu schützen. Das würde gleichermaßen die Situation auf einen zwei-Parteien-Krieg zuspitzen, was nur in Gaddafis Hände spielen würde. Es würde denen einen Vorteil verschaffen, die Gaddafi stürzen wollen, um einen Grabenkrieg oder fixe Positionen zu vermeiden, und sie davon abhalten, alle Ebenen der Gesellschaft zu durchdringen und seine bereits bröckelnde Machtbasis weiter zu untergraben. In jedem Fall wäre eine derartige Intervention des Westens undurchführbar. Kein Befehlshaber des Westens würde auf kurzfristigen Abruf Truppen auf einen Kriegsschauplatz entsenden, der seinen Truppen unbekannt, aber einem Gegner gut bekannt ist, der außerdem nicht leicht von befreundeten Kräften unterschieden werden kann. Das ist ein Rezept für eine Katastrophe.  

Entsendung von „Peace Keeping”-Truppen der Afrikanischen Union, um die Kampfparteien zu trennen. Ausgehend von dem Ruf derartiger Truppen aus der Vergangenheit ist das eine Möglichkeit, jeden Libyer auf die Seite Gaddafis zu bringen.  

Entsendung einer „Peace Keeping”-Streitmacht bestehend aus Truppen aus arabischen Ländern, wie es der Guardian vorschlägt. Eine Methode, um alle Libyer hinter Gaddafi zu vereinen und den gesamte Mittleren Osten mit den Wechselfällen eines Bürgerkrieges in Libyen anzustecken und zu entzünden.

Bombardieren. Aber was? Gaddafis Versteck? Abgesehen von einem Mangel an jeglichem sinnvollen Ziel könnte Bombenwerfen durch den Westen andere auf die Idee bringen, Ziele zu bombardieren, die in der Tat großen strategischen Wert haben: Erdölquellen und Pipelines.

Sanktionen. Libyens ausgedehnte Grenzen sind völlig durchlässig und bevölkert von Völkern und Stämmen, die darauf aus sind, Geschäfte zu machen und die sich keinen Deut scheren um Resolutionen des UN-Sicherheitsrats. Im Gegenteil, ausgehend von der strategischen Bedeutung von libyschem Erdöl und Erdgas für einige europäische Länder ist Libyen als einziges Land in der Lage, gegen alle anderen wirkungsvolle Sanktionen zu verhängen. Der Erdölpreis ist bereits auf $ 110 gestiegen. Man wird sehen, wie die Italiener in den kommenden paar Wochen aufheulen werden, wenn die Krise viel länger anhält. 

Es verwundert nicht, dass Cameron und Sakozy ihrer Verärgerung freien Lauf lassen, andererseits aber nur auf ihre Schuhe schauen.

 
     
  erschienen am 26. Februar 2011 auf > www.antiwar.com > Artikel  
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