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  Willkommen in der gewalttätigen Welt des Herrn Hopey Changey

John Pilger 

Als Großbritannien 1956 die Kontrolle über Ägypten verlor, sagte Premierminister Anthony Eden, er wolle den nationalistischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser „vernichtet ... ermordet haben ... mir ist´s egal ob es dann zu Anarchie und Chaos in Ägypten kommt.“ Diese frechen Araber, hatte Winston Churchill 1951 gefordert, sollten „in die Gosse getrieben werden, aus der sie nie hätten herauskommen sollen.“ 

Die Sprache des Kolonialismus mag sich geändert haben, der Geist und die Scheinheiligkeit sind gleich geblieben. Eine neue imperiale Phase entfaltet sich als direkte Antwort auf die arabische Aufstandsbewegung, die im Januar begann und Washington und Europa schockiert und eine Panik ähnlich der Edens hervorgerufen hat. Der Verlust des ägyptischen Tyrannen Mubarak war schmerzlich, wenn auch nicht unwiederbringlich; eine von Amerika unterstützte Konterrevolution ist bereits unterwegs, das Militärregime in Kairo wird verführt mit neuen Bestechungen und der Verlagerung der Macht von der Straße hin zu politischen Gruppen, die nicht bei der Anbahnung der Revolution beteiligt waren. Wie immer ist das Ziel des Westens, echte Demokratie abzudrehen und die Kontrolle zurück zu gewinnen.    

Libyen bietet die unmittelbare Gelegenheit. Der Angriff der NATO gegen Libyen, bei dem der UN-Sicherheitsrat die Rolle zugewiesen bekam, eine schwindlerische „Flugverbotszone“ zum „Schutz von Zivilisten“ abzusegnen, gleicht frappierend der endgültigen Zerstörung Jugoslawiens im Jahr 1999. Es gab keine Deckung der UNO für die Bombardierung Serbiens und die „Befreiung“ von Kosovo, wie die Propaganda bis heute verkündet. Wie Slobodan Milosevic ist Muammar Gaddafi ein „neuer Hitler,“ der „Völkermord“ gegen sein eigenes Volk begehen will. Dafür gibt es keinerlei Beweis, wie es auch damals keinen Völkermord in Kosovo gab. In Libyen gibt es einen Bürgerkrieg zwischen Stämmen, und der bewaffnete Aufstand wurde schon lange von den Amerikanern, Franzosen und Briten vereinnahmt, wobei deren Flugzeuge Wohngebiete in Tripoli mit Geschossen mit Uransprengköpfen angreifen und das Unterseeboot Ihrer Majestät Triumph Tomahawk-Lenkwaffen abfeuert, eine Neuauflage des „Angst und Schrecken“ in Irak mit tausenden getöteten und verletzten Zivilisten. Wie in Irak sind die Opfer, unter ihnen zahllose verbrannte Soldaten der libyschen Armee, für die Medien Unpersonen.    

Im „rebellischen“ Osten sind Terrorisierung und Tötung schwarzafrikanischer Immigranten nichts Neues. Am 22. Mai beschreibt ein seltener Artikel in der Washington Post die Unterdrückung, Gesetzlosigkeit und Todesschwadrone in den „befreiten Gebieten,“ just als die gerade auf Besuch befindliche Chefin der Außenpolitik der Europäischen Union Catherine Ashton erklärte, sie habe nur „große Hoffnungen“ und „Führungsqualitäten“ gefunden. Um diese Qualitäten gleich zu beweisen versprach Mustafa Abdel Jalil, der „Rebellenführer“ und bis Februar Gaddafis Justizminister: „Unsere Freunde ... werden die beste Aussicht haben bei zukünftigen Verträgen mit Libyen.“ Der Osten besitzt den größten Teil des libyschen Erdöls, die größten Reserven in Afrika. Im März „verlegten“ die Rebellen unter Anleitung ausländischer Experten die libysche Zentralbank, die dem Staat gehört, nach Benghazi. Derlei hat es noch nie gegeben. Inzwischen „froren“ die Vereinigten Staaten von Amerika und die Europäische Union fast $100 Milliarden libysche Gelder ein, „die größten jemals blockierten Beträge“ laut offiziellen Stellungnahmen. Das ist der größte Bankraub der Geschichte.   

Die französischen führenden Eliten sind passionierte Räuber und Bombardierer. Nicholas Sarkozys imperiales Konzept sieht eine französisch dominierte Mediterranean Union (UM) vor, die es Frankreich erlaubt, in seine ehemaligen Kolonien in Nordafrika „zurückzukehren“ und von privilegierten Investitionen und billiger Arbeitskraft zu profitieren. Gaddafi bezeichnete den Plan Sarkozys als „eine Beleidigung,“ die „uns als Narren betrachtet.“ Die Merkel-Regierung in Berlin schloss sich dieser Meinung an, weil sie fürchtete, ihr alter Feind würde den Einfluss Deutschlands in der EU schmälern, und enthielt sich im UN-Sicherheitsrat der Stimme gegen Libyen.

Wie der Überfall auf Jugoslawien und die Farce der Gerichtsverhandlung gegen Milosevic wird der Internationale Strafgerichtshof von den Vereinigten Staaten von Amerika, Frankreich und vom Vereinigten Königreich benutzt, um Gaddafi zu verfolgen, während seine wiederholten Angebote eines Waffenstillstands ignoriert werden. Gaddafi ist ein böser Araber. David Camerons Regierung und ihr wortreicher Obergeneral wollen diesen bösen Araber eliminieren, so wie die Obama-Administration vor kurzem einen sehr berühmten bösen Araber in Pakistan umgelegt hat. Der Kronprinz von Bahrain andererseits ist ein guter Araber. Am 19. Mai wurde er von Cameron mit einem Fototermin auf den Stufen von Downing Street 10 herzlich im Vereinigten Königreich begrüßt. Im März ließ dieser Kronprinz unbewaffnete Demonstranten abknallen und ließ saudische Streitkräfte die Demokratiebewegung in seinem Land niederschlagen. Die Obama-Administration belohnte Saudiarabien, eines der repressivsten Regimes der Erde, mit einem Vertrag über Waffen im Wert von über $60 Milliarden, dem größten in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika. Die Saudis haben das meiste Erdöl. Sie sind die besten Araber.  

Der Angriff gegen Libyen, ein Verbrechen nach den Nürnberger Gesetzen, ist die 46. militärische „Intervention“ des Vereinigten Königreichs im Mittleren Osten seit 1945. Wie bei seinen Partnern ist das Ziel des Vereinigten Königreichs die Kontrolle über Afrikas Erdöl. Cameron ist nicht Anthony Eden, aber fast. Gleiche Schule. Gleiche Werte. In den Presseaussendungen kommen die Worte Kolonialismus und Imperialismus nicht mehr vor, so dass die Zyniker und die Gutgläubigen die staatliche Gewalt in schmackhafteren Varianten zelebrieren können.

Und während „Mr. Hopey Changey“ (der Name, den der große amerikanische Cartoonist Ted Rall Barack Obama gibt) von der britischen Elite umschwänzelt wird und eine weitere unerträgliche Wahlkampagne startet, schreitet das angloamerikanische Reich des Terrors weiter in Afghanistan und anderswo voran, mit der Ermordung von Menschen mit unbemannten Drohnen – eine Innovation der Vereinigten Staaten von Amerika und Israels, bereitwillig angenommen von Obama. Um das einmal festzuhalten, nach einer Wertungsliste des zugefügten Leids, von Femeverfahren und geheimen Gefängnissen und der Jagd auf Whistleblowers, von der Kriminalisierung abweichender Meinungen bis zur Inhaftierung und Verarmung seiner eigenen Leute, hauptsächlich schwarzer Menschen, ist Obama genauso schlimm wie George W. Bush. 

Die Palästinenser verstehen das alles. Ihre jungen Leute, die mutig der Gewalttätigkeit des israelischen Blut-Rassismus widerstehen, die Schlüssel der gestohlenen Wohnungen ihrer Großeltern in der Tasche, scheinen gar nicht auf in Mr. Hopey Changeys Liste der Menschen im Mittleren Osten, deren Befreiung schon lange fällig ist. Was die Unterdrückten brauchen, sagte er am 19. Mai, ist eine Portion von „Amerikas Interessen, die für sie wesentlich sind.“

Er verhöhnt uns alle.

 
     
  erschienen am 28. Mai 2011 auf > www.antiwar.com > Artikel  
     
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