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Hysterie, ‘Hasbara’ und die Flotte

Larry Derfner

Rütteln am Käfig: die israelische Propagandamaschine läuft auf Hochtouren in Hinblick auf die neue Hilfsflotte für Gaza.

Ich liebe Israels „Hasbara”-Kampagne gegen die Friedensflotte Nummer zwei. Ich bin mir sicher, dass Butter in den Mündern dieser Leute nicht schmilzt.

„Es gibt keine humanitäre Krise in Gaza,” sagt Ehud Barak. Die Leute in Gaza „importieren Fernsehapparate und Plasmabildschirme und exportieren landwirtschaftliche Produkte in die gesamte arabische Welt,“ sagt IDF-Chef Benny Gantz (IDF = israelisches Militär, d.Ü.).

Ja, Gaza ist wirtschaftlich auf dem Weg der Besserung – aber nicht aufgrund von Israels guten Vorsätzen, sondern trotz dessen böser Absichten.

Ginge es nach dem Willen der Regierung, würden die Menschen in Gaza noch immer keine Mittel zum Aufbau einer terroristischen Infrastruktur bekommen, wie zum Beispiel Spielzeug, Musikinstrumente, Heizgeräte, Zeitungen, Angeln, Ersatzteile für Traktoren, Rohre für Bewässerungsanlagen und, natürlich, Koriander, die mit Hilfstransportern über die Grenze kommen.

Warum hat sich diese Politik geändert? Was hat Israel gezwungen, damit zu beginnen, alles durchzulassen außer Baumaterial, von dem es befürchtet, dass Hamas es zum Bau von Bunkern verwenden könnte? Es war die Freiheitsflotte Nummer eins, erinnern Sie sich? Es war die Tötung von neun Türken an Bord der Mavi Marmara durch israelische Kommandotruppen am 31. Mai 2010, nach der Israel durch den weltweiten Sturm der Entrüstung gezwungen war, alle die davor verbotenen Massenvernichtungswaffen – Kümmel, Ingwer, getrocknete Früchte, Margarine, Kleidung, Nähmaschinen und mehr dergleichen – in den Gazastreifen hinein zu lassen.

Ginge es nach dem Willen der Regierung, würde Hosni Mubarak noch immer den ägyptischen Truppen befehlen, die Tunnels zu finden und zu zerstören, die die Bewohner von Gaza gebaut haben, um Güter zu schmuggeln. Zur Bestürzung der Regierung wurde Mubarak jedoch gestürzt und die neue ägyptische Führung ist weniger eifrig bemüht, mit unserer Gaza-Politik zu kollaborieren.

Das Ergebnis? „Zementsäcke und Schotter … werden im Zweischichtbetrieb durch hunderte Tunnels geschmuggelt, bei Tag und Nacht, um die 3.000 Tonnen täglich ... Straßen werden gepflastert und Gebäude errichtet,“ schrieb Ethan Bronner letztes Wochenende in der New York Times.

„Die Dinge stehen jetzt besser als vor einem Jahr,“ sagte ihm ein führender Aktivist im Streifen. „Die Sperre von Gütern ist jetzt zu 60 bis 70 Prozent aufgehoben.“

SEHEN SIE? Es braucht keine Flotte, Gaza geht es gut, sagen israelische Hasbaratisten und lächeln zähneknirschend.

Übrigens, als Gantz sagte, dass Gaza landwirtschaftliche Produkte exportiert, vergass er zu erwähnen, dass das alles ist, was Israel Gaza zu exportieren erlaubt – und nicht besonders große Mengen davon, und nur für eingeschränkte Zeiträume.

„Der Export aus Gaza ist verboten,” schrieb Gisha, eine Nichtregierungsorganisation in Tel Aviv, in einem Bericht zur Hilfsflotte in der letzten Woche. „Zwischen November 2010 und April 2011 gestattete Israel ausnahmsweise den Export einer minimalen Menge von Erdbeeren, Blumen, Paprika und Tomaten aus Gaza für europäische Märkte. Die durchschnittliche Menge der Exporte in dieser Zeit betrug etwa zwei Lastwagenladungen täglich ... seit dem 12. Mai 2011 haben keine Lastautos mit Exportgütern den Gazastreifen verlassen.“

Ich denke, dass die Freiheitsflotte Nummer zwei, selbst ohne viele Fortschritte in Richtung Gaza zu machen, Israels Image ganz gewaltig zerzaust – oder vielmehr Israel dazu bringt, sich selbst von seiner schlechtesten Seite zu zeigen (wie es bei der Freiheitsflotte Nummer eins der Fall war). Wieder einmal hat Israel sich in eine Hysterie hineingesteigert, hat es den Boden der Realität verloren. 

Das Büro des Premierministers bedrohte ausländische Journalisten mit einer zehnjährigen Einreisesperre und der Beschlagnahmung ihrer Ausrüstung, falls sie es wagten, von Bord der Schiffe zu berichten. Es veröffentlichte auch ein Video auf YouTube, auf dem ein Schauspieler aus Tel Aviv vorgibt, ein ausländischer Aktivist der Homosexuellenbewegung zu sein und berichtet, wie ihm der Zugang zur Flotte verwehrt wurde. Mutmaßlich israelische Agenten unternahmen einen Sabotageakt gegen eines der Schiffe, das in einem Hafen in Griechenland lag. „Höhere Funktionäre in Jerusalem“ behaupteten, sie hätten Informationen darüber, dass Aktivisten der Flotte planten, an Bord kommende israelische Soldaten mit Schwefel zu bewerfen und sie anzuzünden. 

Was letzteres betrifft, so schrieb Alex Fishman von Yediot Aharonot (größte israelische Tageszeitung, d.Ü.), der Doyen der israelischen Militärkorrespondenten, am Mittwoch: „Es gibt nicht den leisesten Beweis zu dem Bericht, dass extremistische Elemente an Bord der Flotille gewaltsamen Widerstand gegen israelische Soldaten leisten wollen. Es gibt auch keinerlei klare Informationen über tödliche Waffen auf einem der Schiffe. Es ist anzunehmen, dass das als eine Möglichkeit betrachtet wird – neben vielen anderen Szenarien und Möglichkeiten, die bei den Brainstorming-Sitzungen der Vertreter von Militär und Geheimdienst auftauchen, die sich auf den Einsatz gegen die Flotte vorbereiten. Wenn aber eine derartige Möglichkeit dann als Tatsache in Zusammenhang mit der israelischen Hasbara-Kampagne hingestellt wird, kann das als Bumerang wirken und zeigen, dass es Israel an Glaubwürdigkeit fehlt.“

An Glaubwürdigkeit fehlt? Was der nicht sagt! Ich warte noch immer darauf, dass die israelische Armee alle auf der Mavi Marmara beschlagnahmten Videos freigibt – nicht nur diejenigen, die zeigen, wie die Leute an Bord die Soldaten schlagen, die an den Seilen herunter gleiten, sondern die, auf denen zu sehen ist, was davor und was danach geschah, besonders die Aufnahmen, auf denen zu sehen ist, wie die Soldaten diese neun Menschen umbringen.

Warum will uns die israelische Armee das nicht sehen lassen? Warum erfinden die „Höheren Funktionäre in Jerusalem” Schauergeschichten über die Flotte? Warum versucht Benny Gantz, Gaza als Schlaraffenland hinzustellen? Warum windet und wendet und quält Israel sich um und durch die Wahrheit über Freiheitsflotte Nummer eins, Freiheitsflotte Nummer zwei, Operation Vergossenes Blei und was alles noch mit seiner Behandlung der Palästinenser zu tun hat?

Und warum glaubt noch jemand auf der Erde an diese „Hasbara“ – ein Begriff, der mittlerweile für „israelische Desinformation“ steht?

 
     
  erschienen am 29. Juni 2011 auf > JERUSALEM POST > Artikel  
     
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