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  Hühnchenspiel mit Atommächten

Eric S. Margolis

Es ist unheimlich schwer für die größte Macht der Welt zuzugeben, dass ihre High-Tech Militärstreitkräfte in Afghanistan von einem Haufen leicht bewaffneter Kämpfer der Bergstämme geschlagen werden.

Aber genau das geschieht. Washington gibt jedem anderen die Schuld an dem blutigen Fiasko in Afghanistan, dem „Friedhof der Weltreiche.“ Zur Zeit ist der Hauptprügelknabe für die rasende Wut der Vereinigten Staaten von Amerika Pakistan, das offiziell noch immer als „strategischer Verbündeter der Vereinigten Staaten von Amerika“ bezeichnet wird.

In der vergangenen Woche beschuldigte der demnächst abtretende Generalstabschef der Vereinigten Staaten von Amerika Admiral Mike Mullen den pakistanischen Geheimdienst ISI, hinter den Attacken gegen Einrichtungen der Vereinigten Staaten von Amerika in Afghanistan zu stecken, die vom Haqqani-Netzwerk durchgeführt wurden, Verbündeten der Taliban im Kampf gegen die fremde Okkupation. Das Pentagon beschuldigte das Haqqani-Netzwerk, ein „virtueller Arm“ des ISI zu sein. Pakistan wies die Beschuldigungen der Vereinigten Staaten von Amerika entschieden zurück.

Die Vereinigten Staaten von Amerika reagieren eher in blinder Wut als mit sorgfältiger Überlegung. Das Beispiel der Niederlage der Sowjetunion im Jahr 1989 verfolgt Washington immer mehr.

Ironischerweise, wie ich selbst in den 1980er Jahren sehen konnte, schufen die Vereinigten Staaten von Amerika selbst das Haqqani-Netzwerk, indem sie diese „Freiheitskämpfer“ mit Waffen ausstatteten und finanzierten.

Eine der trübsten Tassen im Senat der Vereinigten Staaten von Amerika, der einflussreiche Republikaner Lindsay Graham, droht mit Angriffen der Vereinigten Staaten von Amerika gegen Pakistan, „um die Soldaten der Vereinigten Staaten von Amerika gegen den Terrorismus zu verteidigen.“

Das ist ganz nett fett. Die Vereinigten Staaten von Amerika überfallen ein Land, erklären jeden, der sich dagegen wehrt zum „Terroristen,“ und müssen dann Pakistan überfallen, um ihre Invasionstruppen zu „verteidigen.“ Währenddessen zahlen die Vereinigten Staaten von Amerika dem bankrotten Pakistan im Lauf von fünf Jahren $7,5 Milliarden, um den Krieg gegen Afghanistan weiterführen zu können.

Seit den Tagen des George W. Bush wurde die Politik der Vereinigten Staaten von Amerika getrieben durch eine Mischung aus imperialer Arroganz und profunder Ignoranz.

Als die Vereinigten Staaten von Amerika ihren Überfall auf den Irak im Jahre 2003 vorbereiteten, hatte ich ein Dinner mit drei von Bushs höchsten Beratern. „Sagen Sie uns etwas über den Irak, Eric,“ baten sie. Als ich über Kurden, Sunniten, eine Reihe von Schiiten, Yazdis, sprach, gingen ihre Augen über. „Was ist der gemeinsame Nenner,“ wollte ein Alpha-Republikaner wissen. „Der gemeinsame Nenner,“ antwortete ich, „ist sich aus einem chaotischen Land herauszuhalten, von dem man nicht die leiseste Ahnung hat.“

Und nun schon wieder dasselbe mit Pakistan. Kaum ein führendes Mitglied der Obama-Administration hat eine Ahnung vom komplizierten Pakistan.

Aber diese Bullen im südasiatischen Porzellanladen sind bereit zum Lostrampeln und kümmern sich nicht um die Fakten. Mit einem Krieg gegen Pakistan zu drohen, ein Land mit 180 Millionen Einwohnern und einem starken Militär, ist die Höhe des Wahnwitzes. Pakistan kontrolliert die meisten der Nachschubrouten, die von wesentlicher Bedeutung sind für die Truppen der Vereinigten Staaten von Amerika und der NATO in Afghanistan. Die meisten Pakistaner betrachten mittlerweile die Vereinigten Staaten von Amerika als größeren Feind als den alten Feind Indien.  

Noch verrückter – Washington äußert kriegerische Drohungen gegen das atomar bewaffnete Pakistan, einen engen Verbündeten Chinas, einer wichtigen Atommacht. Bisher war Peking vorsichtig, aber konsequent bei der Unterstützung seines alten Verbündeten Pakistan.

Angriffe der Vereinigten Staaten von Amerika gegen Pakistan, die über die derzeitigen Überfälle mit Drohnen der CIA hinaus gehen, könnten allerdings China in eine Konfrontation mit den Vereinigten Staaten von Amerika hineinziehen. China hat in aller Ruhe klar gemacht, dass es nicht erlauben wird, dass die Vereinigten Staaten von Amerika Pakistan auseinanderreißen, um sich Islamabads von China unterstütztes atomares Arsenal unter den Nagel zu reißen.

Mehr Wahnsinn. Die Vereinigten Staaten von Amerika sowohl unter Bush als auch Barack Obama haben versucht, Indien militärisch nach Afghanistan hineinzuziehen. Die Inder waren aber zu klug, als dass sie Kampftruppen nach Afghanistan geschickt hätten.  

Washington gab daraufhin Indien grünes Licht für die Entsendung von Geheimagenten und Geld nach Afghanistan, um die gegen die Taliban eingestellten Minderheiten der Tadschiken, Usbeken und Hazara zu unterstützen. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben sehr den Aufbau des indischen atomaren Arsenals unterstützt, welches nur zwei Ziele hat – Pakistan und China.

Das alles hat natürlich die Alarmglocken in Islamabad schrillen lassen, das Afghanistan als seinen strategischen Hinterhof betrachtet. Auch Russland beobachtet diese Entwicklung mit wachsender Besorgnis.

Die strategischen Interessen Pakistans und der Vereinigten Staaten von Amerika sind unterschiedlich und widersprechen sich oft. Dennoch „hielten uns die Vereinigten Staaten von Amerika ein Gewehr an unseren Kopf,“ wie ein ehemaliger Direktor des ISI sagte (was vom ehemaligen Präsidenten Pervez Musharraf bestätigt wurde) und zwangen Pakistan, beim Krieg gegen die Taliban mitzumachen, einen engen Verbündeten Pakistans und strategischen Partner.

Warum sollte Pakistan seine eigenen strategischen Interessen aufgeben zugunsten der Vereinigten Staaten von Amerika, deren verwirrte, unberechenbare Außenpolitik weitgehend bestimmt wird von speziellen inländischen Interessengruppen?

Ein Krach zwischen Pakistan und seinem gelegentlichen amerikanischen Paten wäre eine Katastrophe für alle Beteiligten. Die Ausweitung des Krieges in die Kreuzungszone der Interessen von vier atomar bewaffneten Mächten ist der Höhepunkt von Verantwortungslosigkeit und manischem Wahnsinn.

 
     
  erschienen am 1. Oktober 2011 auf > www.ericmargolis.com  
  Archiv > Artikel von Eric Margolis auf antikrieg.com  
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