HOME     INHALT     INFO     LINKS     ARCHIV     KONTAKT
 
     
     
  Es ist Zeit, sich für die schändliche Unterstützung der Diktatur in Ägypten durch den Westen zu entschuldigen

Eric S. Margolis

KAIRO – Der Tahrir-Platz, das Epizentrum des Erdbebens, das Ägyptens vom Westen gestützten Diktator Hosni Mubarakzu Fall brachte, ist ruhig – zur Zeit. 

Es gibt Fahnenschwinger, Redner, und Jugendliche laufen herum. Aber der jetzt auf der ganzen Welt bekannte Platz sieht verloren und verlassen aus, mit mehr normalen Passanten als Revolutionären, die sich dort aufhalten. Gewalt knistert in der Luft wie statische Elektrizität.

Schwer bewaffnete Bereitschafts- und Sicherheitspolizei und deren gepanzerten Fahrzeuge häufen sich in der Nähe. Im alten Khan-al-Khalili-Basar sah ich Lastwagen beladen mit Strolchen der Regierung, die darauf warteten, Demonstranten anzugreifen. Ich wurde fast verhaftet, als ich begann, Photoaufnahmen zu machen.

Demonstranten auf dem Tahrir-Platz zeigten mir Kanister von verbrauchtem Tränengas, die einige Tode und viele Verletzungen verursacht haben. Ich kann nicht sagen, ob es sich dabei um das übliche Antidemonstrations-Reizgas CS handelte oder um das sechsfach stärkere krebserregende CR-Gas, das töten oder zu Erblindungen führen kann. Auf den Kanistern stand jedenfalls „Made in the USA“ und jeder wusste das.

Während Hillary Clinton herumsprudelte über die Demokratie in Ägypten, werden Ladungen von in den Vereinigten Staaten von Amerika produzierter Antidemonstrationsausrüstung, darunter Knüppel, Gas und Gummigeschosse aus den Vereinigten Staaten von Amerika eingeflogen. Clintons Außenministerium der Vereinigten Staaten von Amerika scheint besorgt die ägyptische Revolution zu unterstützen, aber die wirkliche Macht in der Außenpolitik der Vereinigten Staaten von Amerika, das Pentagon, steht fest hinter Ägyptens 500.000 Mann starken bewaffneten Kräften.

Ich beobachtete gerade, wie Ägypten in einer Reihe aufwendiger Parlamentswahlen zur Wahl ging. Die Wahl war bemerkenswert sauber und fair, ein Triumph für alle Ägypter.

Zwei weitere regionale Wahlen müssen noch abgehalten werden, aber das Ergebnis ist klar. Die Moslembruderschaft und ihr islamischer Verbündeter Wasat bekamen über 40% der Stimmen. Die salafistische al-Nur-Partei, die einen Staat anstrebt, der nach islamischen Gesetzen geführt wird, erreichte 24%. Der säkulare ägyptische Block bekam nur 13,4% der Stimmen.

All die adrette gehobene Jugend, die anfänglich ausgestattet mit Mobiltelefonen und Blackberries auf dem Tahrir gesehen wurde und zum Liebling der westlichen Medien wurde, ist verschwunden. Revolutionen werden gemacht aufgrund von politischen und wirtschaftlichen Themen, nicht von sozialen Medien.

Die Ägypter wollen eindeutig Demokratie und eine parlamentarische Regierung, und das wollen auch die Menschen in der gesamten arabischen Welt. Ägyptens mächtiges Militär-/Sicherheits-Establishment und deren westliche Hintermänner wollen das nicht: sie kämpfen einen bitteren Kampf, um die reale Demokratie einzubremsen und ihre Privilegien und ihre Macht zu behalten. 

Das ägyptische Militär bekommt von den Vereinigten Staaten von Amerika rund $3 Milliarden im Jahr in Geld und Waffen, plus Millionen „schwarzes“ Geld von der CIA und vom Pentagon – zusätzlich zu den Millionen an Wirtschaftshilfe. Die Vereinigten Staaten von Amerika liefern alle Schlüsselsysteme des Militärs und behalten die Kontrolle über die Ersatzteile, die es braucht, damit sie laufend funktionieren. Die meisten Geheimdienst- und Sicherheitsagenturen der Vereinigten Staaten von Amerika betreiben große Stützpunkte in Kairo, um das Regime zu schützen. Die Hälfte der ägyptischen Nahrungsmittelimporte werden von den Vereinigten Staaten von Amerika finanziert.  

Viele der wichtigsten ägyptischen Generäle „lernten” an Militärcolleges und Kursen in den Vereinigten Staaten von Amerika, wo sie von CIA und DIA überprüft wurden. Ähnlich wie die großen Streitkräfte der Türkei – zumindest bis vor neun Jahren – war das ägyptische Militär zusammengekoppelt mit Verteidigungsestablishment und Waffenindustrie der Vereinigten Staaten von Amerika. Im Gegenzug stimmte Ägypten zu, ein heimlicher Verbündeter Israels zu werden.  

Angesichts der Rolle Ägyptens als virtuelles Protektorat der Vereinigten Staaten von Amerika fällt die Flut der Scheinheiligkeit auf, mit der Washington, London, Paris und Ottawa über ihre Unterstützung der ägyptischen Demokratie herumschleimen. In den vergangenen dreißig Jahren haben diese Mächte eifrig Ägyptens besonders rücksichtslose brutale Diktatur unterstützt, deren Sicherheitskräfte mit Folter, Vergewaltigung und Mord ihre Bürger terrorisierten. 

Während die Ägypter Demokratie wollen, will das Militär politische Aushängeschilder und das Recht, sich in die Politik einzumischen, um seine Interessen unter dem Titel „nationale Sicherheit“ zu schützen – die gleichen Ansprüche wie das rechtsgerichtete türkische Militär Jahrzehnte lang gebrauchte, um Demokratie zu verhindern. Ägyptens Generäle bestehen darauf, dass es keine Untersuchungen von Verstößen gegen die Menschenrechte geben soll. Washington versucht, das ägyptisch-israelische Bündnis aufrecht zu halten, das alle Ägypter verabscheuen.

Das Militär, seine Hintermänner in den Vereinigten Staaten von Amerika und einige falsch informierte westliche Medien warnen davor, dass die Moslembruderschaft Ägypten in einen weiteren Iran umwandeln wird. Das ist Unsinn. Die Bruderschaft ist konservativ, ängstlich und befasst sich hauptsächlich mit sozialen Fragen. In der politischen Landschaft Ägyptens ist sie eine gemäßigte Partei.

Die Ägypter wollen Arbeitsplätze, Wohnungen, Nahrung, Bildung und eine Rettung der darniederliegenden Wirtschaft, keinen weltweiten Jihad.

Wenn die westlichen Mächte diese historische Gelegenheit nicht nützen und mit den Gemäßigten der Bruderschaft arbeiten, werden sie mit den Säbelschwingern enden.

Der Westen kann damit beginnen, dass er sich dafür entschuldigt, so lange die brutale Diktatur Mubaraks unterstützt zu haben.

 
     
  erschienen am 10. Dezember 2011 auf > www.ericmargolis.com  
  Archiv > Artikel von Eric Margolis auf antikrieg.com  
  Die Weiterverbreitung der Texte auf dieser Website ist durchaus erwünscht. In diesem Fall bitte die Angabe der Webadresse www.antikrieg.com nicht zu vergessen!  
  <<< Inhalt