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  Ukraine: zurück vom Rand des Abgrunds

Eric Margolis

 

Die amerikanische Diplomatie in der Krise um die Ukraine wurde früher in diesem Monat zusammengefasst von der hohen Beamtin im Außenministerium Victoria Nuland, einer führenden Neokonservativen: „Scheiß auf die EU!“

Am Freitag antwortete Europa mit der Vermittlung eines vernünftigen Kompromisses für die zunehmend gefährliche Krise der Ukraine, gerade als das Militär im Begriff war einzugreifen. Wenn die Vereinbarung hält, wird der Präsident der Ukraine Viktor Janukowitsch einige seiner Befugnisse abtreten, eine Einheitsregierung wird gebildet werden, Wahlen abgehalten, und eingesperrte Demonstranten werden freigelassen werden. Das Schicksal der inhaftierten nationalistischen Führerin Julia Timoschenko ist noch nicht klar.

Das war eine intelligente diplomatische Lösung einer Krise, die zu einer direkten Konfrontation zwischen der NATO und Russland hätte führen können, beides Atommächte.

Aber was, wenn die Europäische Union nicht diese Vereinbarung vermittelt hätte und der harte Kurs der Vereinigten Staaten von Amerika eingehalten worden wäre?

Eine Grundregel der Weltpolitik lautet: sei vorsichtig, womit du drohst. Leere Drohungen werden unberechenbar.

Letzte Woche warnte der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika Barack Obama Russland, sich aus der krisengebeutelten Ukraine herauszuhalten oder mit „Konsequenzen“ zu rechnen.

„Konsequenzen“ ist zu einer Lieblingsdrohung von Hillary Clintons kriegerischen Demokraten geworden. Sie verdrängt sogar Washingtons seinerzeit liebste Kriegsdrohung, nämlich „alle Optionen sind auf dem Tisch.“

Zuletzt hörten wir diese müde Drohung in Sachen Syrien, und sehen Sie, was passiert ist: das Weiße Haus stolperte fast in einen völlig unnötigen Krieg um Syrien und musste von niemand anderem gerettet werden als von Russlands Vladimir Putin.

Letzte Woche weitere kriegerische Drohungen. Was, wenn der schlaue Vlad Putin Obama zwingt, Farbe zu bekennen?

Wenn die kläglichen von Washington angedrohten Sanktionen nicht wirkten, was dann? Würde die Obama-Administration Atombomben auf Moskau abwerfen wegen der Ukraine, einem Land, das 99,7% aller Amerikaner nicht auf einer Landkarte finden könnten, und hinge ihr Leben davon ab. Würden die Vereinigten Staaten von Amerika versuchen, Russlands Erdölexporte zu blockieren, wie sie das beim Iran machen? Die Finanzmärkte würden verrückt spielen. Alles wegen der Ukraine?

Moskau glaubt, dass der Aufruhr in der Ukraine von den Vereinigten Staaten von Amerika und von der Europäischen Union finanziert und angeheizt wird. Der Kreml befürchtet, dass die Vereinigten Staaten von Amerika darauf aus sind, die russische Föderation niederzureißen und sie als Weltmacht zu eliminieren. Putin, Ziel einer ständig intensiver werdenden Hasskampagne in den westlichen Medien, hat das oft gesagt.

Letzte Woche erklärte Präsident Obama, es sei sein Ziel, den Ukrainern und Syriern zu erlauben, ihren Willen durch freie Wahlen auszudrücken. Sehr nett. Ein zweifaches Hoch, Herr Präsident!

Demokratie und eine freie Presse können jedoch nicht selektiv sein. Während westliche Politiker und die zunehmend staatlich gelenkten Medien der Vereinigten Staaten von Amerika ihre Hände über der Ukraine und Syrien ringen, sehen wir, wie die diktatorischen Regimes von Bahrain, Ägypten und Saudiarabien – alle drei Schlüssel-Aliierte der Vereinigten Staaten von Amerika – ihre eigenen rebellischen Völker unterdrücken.

Ägypten liefert ein besonders abscheuliches Beispiel. Seine neofaschistische Militärjunta warf die erste Demokratie, die das Land je hatte, über den Haufen, tötete über tausend Demonstranten, sperrte viele weitere Tausend ein und führte wieder Folter und einen primitiven Polizeistaat ein. Acht Journalisten von al-Jazeera sitzen im Gefängnis und warten auf die Gerichtsverhandlung wegen des Verbrechens, Tatsachen zu berichten. Demonstranten werden einfach auf der Straße niedergeschossen.

Washington finanziert weiter das ägyptische Militär, das abweichende Meinungen niederschmettert, und unterstützt die königliche Familie von Bahrain, das die Fünfte Flotte der Vereinigten Staaten von Amerika beherbergt. Zu Putins Misskredit hieß dieser gerade Ägyptens Militärdiktator in Moskau willkommen und überschüttete ihn mit Lob.

Abgesehen davon, dass sie scheinheilig ist, ist Washingtons Politik gegenüber Russland zunehmend gefährlich. Haben wir nichts gelernt aus den diplomatischen Narrenstreichen, die zum Ersten Weltkrieg geführt haben?

Die Vereinigten Staaten von Amerika haben ständig ihren strategischen Einfluss an Russlands Grenzen im Kaukasus, in Osteuropa und in Zentralasien vorwärts getrieben. Das trotz eines Versprechens seitens der Administration des George Bush senior gegenüber Michail Gorbatschow, das nicht zu machen, um dem Krems den friedlichen Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums zu erlauben. Gorbatschow hielt seinen Teil der Abmachung ein, Washington nicht.

Wäre er am Leben, dann wäre der große Staatsmann Bismarck entsetzt über die Provokationen des Westens gegenüber Russland. Während die Spannungen in Asien wachsen und ein Krieg zwischen Japan und China wahrscheinlicher wird – ein Krieg, den Japan verlieren würde, wenn nicht die Vereinigten Staaten von Amerika eingreifen - bedarf Washington zunehmend der Unterstützung durch Moskau.

Stattdessen macht sich die unbeholfene amateurhafte Außenpolitik der Vereinigten Staaten von Amerika Russland und China gleichzeitig zum Feind. Bismarck lehrte uns, unsere Feinde zu spalten und sie gegeneinander aufzuhetzen. Man soll auch nicht vergessen, dass intensive Propaganda der Vereinigten Staaten von Amerika gegen die Sowjetunion in den 1980ern, darunter George W. Bushs berüchtigte „Achse des Bösen,“ den Kreml dazu brachte zu glauben, dass ein Atomangriff der Vereinigten Staaten von Amerika unmittelbar bevorsteht. Dasselbe haben wir jetzt wieder. 

Halten wir uns auch vor Augen, dass Vlad Putin ein Judo-Experte ist. Er versteht sehr gut, Gewicht und schlechten Halt eines Gegners dafür zu nutzen, um dessen Angriff abzuwehren. Bisher hatte Putin Erfolg damit, Washington auf dem falschen Fuß zu erwischen. Aber das ist ein gefährliches Spiel. Ein paar falsche Züge könnten zu einem direkten Zusammenstoß der Atommächte führen.

Glücklicherweise scheint diese düstere Drohung durch die Versöhnungsvereinbarung in Kiew abgewendet zu sein, zumindest zur Zeit. Europa, nicht Washington, führt bei dieser lobenswerten Bemühung – wie es sein sollte.

 
     
  erschienen am 22. Februar 2014 auf > www.ericmargolis.com  
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