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Berichte über die nuklearen Ambitionen des Iran klingen wie eine Neuauflage des Irak vor acht Jahren

Gwynne Dyer 

„Wir werden nicht zwei Atombomben bauen angesichts der 20.000 (amerikanischen)“, sagte der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinejad in einer Stellungnahme zu dem Bericht der InternationalenAtomEnergieAgentur in dieser Woche, die den Iran beschuldigt, gerade das zu tun. Er bezeichnete Yukiya Amano, den Generalsekretär der IAEA als Marionette der Vereinigten Staaten von Amerika und sagte: „Diese Person gibt keinen Bericht heraus über die nuklearen Arsenale Amerikas und seiner Alliierten.“

Das stimmt. Amano wird nie einen Bericht über die Atomwaffen Amerikas (zur Zeit nur 5.133) herausbringen. Er hat auch nichts berichtet über die Massenvernichtungswaffen Israels, des Vereinigten Königreichs und Frankreichs. Dazu kommt, dass sein Bericht weitgehend auf Informationen beruht, die ihm von westlichen Geheimdiensten zugefüttert wurden.

Abgesehen davon ist Amano so unparteiisch und frei vom Einfluss seitens der Vereinigten Staaten von Amerika, wie man das von einem japanischen Karrierediplomaten erwarten kann. Nur Zyniker werden Parallelen sehen zu Colin Powells Vorstellung vor den Vereinten Nationen im Jahr 2003, wo der Verteidigungsminister der Vereinigten Staaten von Amerika ein Teströhrchen hoch hielt und uns allen versicherte, dass der Irak wirklich an biologischer Kriegsführung arbeite.

Angeblich arbeitete der Irak auch an nukearen Waffen: die berühmte „rauchende Pistole“ des ehemaligen Präsidenten George Bush, welche sich dann auch in Luft auflöste. Auf der Grundlage dieser „Geheimdiensterkenntnisse“ betreffend die „Massenvernichtungswaffen“ des Irak überfielen die Vereinigten Staaten von Amerika und ihre leichtgläubigeren Alliierten das Land. Hunderttausende wurden getötet, keine Waffen wurden gefunden und nichts wurde gelernt. Und hier stehen wir wieder.

Leg mich einmal herein, Schande über dich. Leg mich zweimal herein, Schande über mich. Die gleichen Geheimdienste liefern die gleiche Sorte von Berichten, die wir vor acht Jahren über die nuklearen Ambitionen des Irak gehört haben und interpretieren diese in der gleichen voreingenommenen Weise.

Viele Menschen im Westen kriegen mit, dass sie wieder in einen neuen Überfall auf ein Land des Mittleren Ostens hineintheatert werden, aber das berührt sie nicht besonders. Es werden ja nur Luftangriffe sein, und wir alle wissen, dass ein nur-Luftkrieg so gut wie ohne Opfer für die Seite verläuft, die die Lufthoheit besitzt. Schauen Sie zum Beispiel nach Libyen.

Wieviele Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika oder des Vereinigten Königreichs wissen jedoch, dass der Iran zehnmal so viele Einwohner hat wie Libyen? Wieviele wissen, dass der Iran ein teilweise demokratischer, technisch kompetenter Staat ist, ohne Geschichte von Überfällen auf seine Nachbarn, keine Diktatur unter der Führung eines lasterhaften Lümmels. Ungefähr gleich viele. Wieviele können sich ausrechnen, dass der Krieg nicht nach ein paar Tagen Luftangriffen enden würde? So gut wie keine.

Die interessante Ausnahme von dem allem bildet Israel, wo den Menschen diese Dinge bekannt sind und wo es eine heftige Debatte gibt, ob ein Angriff auf den Iran wirklich eine gute Idee ist. Viele finden das nicht, unter diesen die beiden israelischen Geheimdienste Mossad und Shin Bet. Meir Dagan, der vor kurzem in den Ruhestand gegangene Chef des Mossad, sagte im letzten Januar, dass ein Angriff auf den Iran „die dümmste Idee“ sei, die er je gehört habe. 

So sind der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu und Verteidigungsminister Ehud Barak, welche beide den Iran angreifen (oder besser, die Vereinigten Staaten von Amerika das für sie erledigen lassen) wollen, an die Öffentlichkeit gegangen. Wenn die Mächte des Westens nicht umgehend handeln, so warnen sie, wird der Iran zu Atomwaffen kommen und Armageddon wird schon um die Ecke lauern. 

Diese Behauptung hat zwei Fehler. Einer sind die Beweise. Wenn man das alles glaubt, dann sieht es so aus, dass der Iran das Know How und die Ausstattung haben will, um möglichst rasch eine Atomwaffe bauen zu können, falls nötig: eine atomare Bedrohung durch Israel, ein Militärputsch im nuklear bewaffneten Pakistan, der junge, Schiiten hassende Offiziere an die Macht bringt, oder was immer auch.

Die Beweise zeigen nicht, dass der Iran tatsächlich zur Zeit eine Atomwaffe baut oder auch nur die Absicht hat, das zu tun. Und das Know How zu besitzen und die Ausstattung, die das im Notfall möglich machen würde, ist völlig legal unter den Statuten der IAEA. 

Das andere Problem mit den Anschuldigungen gegen den Iran ist die Logik dahinter. Jetzt eine Atomwaffe zu bauen, käme den Iran extrem teuer in Hinblick auf wirtschaftliche Sanktionen, weltweite Isolierung und ähnliche Folgen, wenn das bekannt würde. Vom Standpunkt der Abschreckung aus gesehen wäre das jedoch total sinnlos, wenn es geheim bliebe.

Abschreckung ist der einzige logische Grund, warum der Iran je nukleare Waffen besitzen wollen könnte, da es selbstmörderisch wäre, jemand anderen damit anzugreifen. Wie Mahmoud Ahamadinejad feststellte (s.oben), würde der Iran höchstens ein paar wenige Atomwaffen haben. Die Vereinigten Staaten von Amerika besitzen Tausende davon, Israel hat Hunderte, und sogar Pakistan verfügt über Dutzende.

Wenn die Führer des Iran völlig logisch in ihrem Denken wären, dann würden sie keine Minute mit Gedanken an nukleare Abschreckung verschwenden. Sie würden sich auf die Tatsache stützen, dass ihr Militär den (Persischen) Golf komplett für den Erdöltransport sperren und die Weltwirtschaft in die Knie zwingen kann, falls sie jemand angreift. Sie sind jedenfalls viel vernünftiger als ihre Gegenspieler im Westen – oder zumindest als sich ihre Gegenspieler im Westen in der Öffentlichkeit zu erscheinen leisten können.

Sie haben von diesem Wortwechsel zwischen dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy und dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika Barack Obama gehört, der vor kurzem über ein nicht abgeschaltetes Mikrophon hinausging? Sarko sagte: „Ich kann ihn (Netanyahu) nicht mehr aushalten. Er ist ein Lügner.“ Worauf Obama antwortete: „Du hast die Nase voll von ihm? Ich habe jeden Tag mit ihm zu tun.“ In welcher Angelegenheit? Sie können zehn zu eins darauf wetten, dass es um die Bombardierung des Iran geht.

 
     
  erschienen am 9. November 2011 auf > straight.com - Vancouver > Artikel > Gwynne Dyers Website  
  Archiv > Artikel von Gwynne Dyer auf antikrieg.com  
 
   
  dazu aus dem Archiv:
  Gwynne Dyer - Reden wir über einen Angriff auf den Iran
  Peter Casey - Lesen Sie selbst die IAEA-Berichte über den Iran
  Gordon Prather - Der IAEA-Gouverneursrat auf Bonkers Weg
  Gordon Prather - Was Hillary am NAM-Gipfel versäumt hat 
  Paul Craig Roberts - Warum keine lähmenden Sanktionen gegen Israel und die Vereinigten Staaten von Amerika?
  Jonathan Cook - Israels Argumente gegen den Frieden
  Eric Margolis - Hinter all der Propaganda gegen den Iran
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  Klaus Madersbacher - VERBRECHEN GEGEN DEN FRIEDEN
 
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