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  Der unausweichliche Antagonismus zwischen einem prosperierenden China und imperialen Vereinigten Staaten von Amerika

Prosperität versus Hegemonie

John V. Walsh

 

China hat seine Ziele sehr unmissverständlich festgestellt. „Eine angemessen wohlhabende Gesellschaft bis 2020“ ist das erste Ziel und „ein starkes sozialistisches Land bis 2049“ das zweite. Aber das ist vielleicht zu einfach: Chinas Führung möchte, dass ihr Volk einen Lebensstandard erreicht, der auf derselben Ebene liegt wie der in den entwickelten Ländern des Westens. Und gemeinsam mit der Wiederherstellung und Erhaltung der Souveränität war das der Hauptteil des chinesischen Programms seit 1949 – mindestens. Chinas große historische Leistung ist, hunderte Millionen aus der Armut gehoben zu haben, was für den größten Teil der Ausrottung der Armut in der jüngeren Vergangenheit steht. Von dieser Leistung ist im Westen kaum die Rede.

Bedenken Sie die einfachen Auswirkungen dieser Gegebenheit. China verfügt über eine Bevölkerung von 1,36 Milliarden, die Vereinigten Staaten von Amerika haben 320 Millionen Einwohner. Wenn also China ein BIP (Bruttoinlandsprodukt) pro Einwohner entsprechend dem der Vereinigten Staaten von Amerika erreichen soll, dann muss sein gesamtes BIP über viermal so hoch sein wie das der Vereinigten Staaten von Amerika. Vier Mal. 

Wie wir zumindest seit Thukydides wissen, fließt die militärische Macht aus der wirtschaftlichen Stärke. Das gilt auch für die „weiche“ Macht, wissenschaftliche Forschung und technische Errungenschaften und Leistungsvermögen. (Letzte Woche brachte USA Today einen Bericht über das rapide Wachstum im Bereich von neuen und originalen Patenten in China, der das Pentagon alarmierte.) Das Anwachsen der wirtschaftlichen Stärke Chinas schließt daher das Tor für die globale Vorherrschaft der Vereinigten Staaten von Amerika. Die einzige Möglichkeit für die Vereinigten Staaten von Amerika, die Hoffnung auf diese Hegemonie aufrecht zu halten, besteht darin, dass China den Kurs ändert und einen niedrigeren Lebensstandard akzeptiert. China wird jedoch nicht freiwillig einen Zweite-Klasse-Status akzeptieren. Fürs erste ist eine solche Zukunft nicht gerecht, und auch die Chinesen werden sie nicht als gerecht betrachten oder akzeptieren. Zum Zweiten verlangt eine derartige Kursänderung, dass ein kultiviertes, begabtes und entschlossenes Volk mit einer großen Kultur ein Alltagsleben akzeptiert, das weniger aussichtsreich ist als das, das die entwickelte Welt genießt. 

Wenn also das Imperium der Vereinigten Staaten von Amerika die erste unter den globalen militärischen Mächten in einer Weise bleiben will, die unbestritten ist, dann hat es nur die Wahl, China niederzuhalten. Es besteht ein unausweichlicher Widerspruch zwischen militärischer Dominanz der Vereinigten Staaten von Amerika und chinesischer wirtschaftlicher Entwicklung. Mehr noch, sogar Chinas wirtschaftliche Stärke an sich steht im Konflikt mit den hegemonischen Manövern der Vereinigten Staaten von Amerika. Sanktionen gegen souveräne Länder, Embargos und Blockaden durch die Vereinigten Staaten von Amerika werden nicht wirken, wenn China bereit ist, mit den bedrohten Ländern zu handeln. Das verhindert auch die wirtschaftliche Kontrolle der Vereinigten Staaten von Amerika über andere, schwächere Länder.

Wie auch immer, es gibt keinen notwendigen Konflikt zwischen den beiden Ländern China und Vereinigte Staaten von Amerika, oder zwischen den beiden Völkern. Die Prosperität Chinas schließt nicht ein hohes Niveau der Prosperität in den Vereinigten Staaten von Amerika aus. Wirtschaftliche Entwicklung und Prosperität ist kein Nullsummen-Spiel. Wie die Chinesen immer wieder betonen, kann die chinesische Entwicklung eine win-win-Situation für alle Länder der Welt bedeuten. Das hat sich bereits als wahr erwiesen in der derzeitigen Großen Rezession, in der die chinesische Wirtschaft der hauptsächliche Motor der globalen Wirtschaft war und vielleicht verhindert hat, dass die Große Rezession in die Große Depression getaumelt ist. Das trifft auch zu auf die Entwicklung von anderen Ländern, zum Beispiel Indien.

Die Frage ist also, ob die Vereinigten Staaten von Amerika die dominante Militärmacht auf der Welt bleiben und China niederdrücken wollen. Leider sind derlei Anti-China-Strategien von den Vereinigten Staaten von Amerika bereits in Stellung gebracht worden und sie werden verstärkt werden. Die „New Silk Road Strategy“ („Neue Seidenstraßenstrategie“) wurde von Hillary Clinton ins Leben gerufen, um China „in Schach zu halten.“ Mindestens seit der ersten Amtszeit von George W. Bush haben die Vereinigten Staaten von Amerika versucht, Indien als „Gegengewicht“ zu China zu gewinnen – mit beschränktem Erfolg. Bis jetzt scheinen die Inder den Köder nicht zu schlucken. Die von Clinton, Obama und anderen in den höheren Sphären der Außenpolitik der Vereinigten Staaten von Amerika unterstützte „Achse nach Asien“ hat versucht, Australien, die Philippinen, Japan, Südkorea und Vietnam gegen China zu gewinnen.  

Einiges davon folgt klassischen Mustern in der Diplomatie. Zum Beispiel, so führt John Mearsheimer in seinem Buch The Tragedy of Great Power Politics (Das Trauerspiel der Großmachtpolitik) aus, ist es das Ziel eines regionalen Hegemons, das Aufkommen eines anderen Hegemons in anderen Teilen der Erde zu verhindern. Mearsheimer weist darauf hin, dass es zur Zeit nur einen regionalen Hegemon in der Welt gibt, nämlich die Vereinigten Staaten von Amerika, die als oberste in der westlichen Hemisphäre herrschen. Die Taktik erster Wahl und die bevorzugte, um das Niederdrücken eines anderen aufkommenden Hegemons zu erreichen, ist „den Ball weitergeben.“ Einfach ausgedrückt heißt das eine weitere regionale Macht dazu zu bringen, die Drecksarbeit zu verrichten und sich selbst Beschwerden und Kosten zu sparen. Betrachten Sie in diesem Licht die Ausfälle des japanischen Premierministers Abe, welche von der amerikanischen „Denk“fabrik CSIS (The Center für Strategic and International Studies) unterstützt und ermutigt, ja sogar angestiftet worden sind. Erst vor kurzem hat Abes Partei, die herrschende LDP (Liberaldemokratische Partei), aus ihrem Programm das Versprechen gestrichen, welches seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs Gültigkeit hatte, nämlich dass „Japan nie wieder einen Krieg beginnen wird,“ was beträchtliche Bestürzung in Südkorea, China, Taiwan und in anderen Nachbarländern hervorgerufen hat! 

Mehr noch, den Vereinigten Staaten von Amerika droht keine Gefahr von einem mächtigen China. Wir sind von China durch einen riesigen Ozean getrennt, und die Macht der atomaren Waffen macht eine Herausforderung der Souveränität der Vereinigten Staaten von Amerika unmöglich, außer man ist auf Suizid aus. Weiters bleiben die Vereinigten Staaten von Amerika eine weitgehend autarke Wirtschaft mit reichen Ressourcen. Nur hochgradige Paranoia könnte uns Angst vor einem wirtschaftlich prosperierenden China haben lassen. Und darüber hinaus haben die Chinesen keine Geschichte der Expansion nach Übersee, wie Henry Kissinger wie viele andere in seinem Buch über China ausführt. Das war sogar der Fall, als im frühen 15. Jahrhundert China die größte Seemacht der Welt war, die mit riesigen Schiffen nach Afrika und in andere Gegenden fuhr, lange bevor Kolumbus seinen Fuß auf ein Schiff setzte. Es gab Handel, aber keine Eroberung und keine Versklavung. Eroberung und Versklavung erwiesen sich als das Werk der europäischen Zivilisation. Und sogar jetzt, als zweitgrößte Wirtschaft der Welt, besitzt China keinen einzigen Militärstützpunkt in Übersee, obwohl es der UNO mehr friedenserhaltendes Personal zur Verfügung stellt als jedes andere Land. Kissinger weist darauf hin, dass der amerikanische Exzeptionalismus missionarisch ist - er besteht darauf, dass die ganze Welt so sein muss wie wir. Man kann eine seiner fanatischsten Inkarnationen in Hillary Clinton und anderen „humanitären“ Imperialisten sehen, von denen sich viele selbst als „progressiv“ betrachten. Chinas Exzeptionalismus andererseits liegt in einer hohen Selbsteinschätzung der eigenen Kultur, jedoch ohne das Verlangen, diese zu verbreiten. Wenn der Rest von uns nicht dem chinesischen Weg folgen will, dann gehen wir halt leer aus und ihrer Ansicht nach ist es nicht Aufgabe der Chinesen, das zu ändern.

Ganz anders die blutige Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika das letzte Jahrhundert hindurch. Wenn die Vereinigten Staaten von Amerika auf ihrem Status als vorherrschende und unanfechtbare Militärmacht bestehen, dann gehen wir einem Konflikt entgegen, sicher einem neuen Kalten Krieg, dessen Beginn die „Achse“ darstellt, und mit großer Wahrscheinlichkeit steuern wir einem Dritten Weltkrieg entgegen. Wir in den Vereinigten Staaten von Amerika sind diejenigen, die das kontrollieren und vielleicht die Welt vor dem schlimmsten Leiden und tödlichen Konflikt bewahren können. Die Lösung besteht darin, das Imperium aufzugeben, unsere Stützpunkte in Übersee aufzulösen, unsere Okkupation fremder Länder, darunter Südkorea, Japan und Deutschland zu beenden, uns auf eine defensive Strategie zum Schutz unseres Landes umzustellen und nachhause zu kommen. Handel und Gespräche, ja. Militärische Intervention, nein. Wir haben in China einen potenziellen Partner für den Frieden. Machen wir den Versuch. Bauen Vertrauen auf und stellen es unter Beweis. Kurz gesagt, Amerika komm heim. Hier erwartet uns ein Paradies. Lassen wir die anderen in Ruhe, damit sie ihr eigenes aufbauen können.

 
     
  erschienen am 21. Januar 2014 auf > The Unz Review > Artikel  
 
siehe dazu im Archiv:
  > Ron Unz - Chinas Aufstieg, Amerikas Niedergang
  > Ron Unz - Chinesisches Melamin und amerikanisches Vioxx: ein Vergleich
  > Gwynne Dyer - Chinas Vormacht muss nicht Krieg mit den Vereinigten Staaten von Amerika bedeuten
  > Hugh Gusterson - Imperium der Militärbasen
  > Eric Margolis - China und die Vereinigten Staaten von Amerika: Kooperation oder Konfrontation?
  > Paul Craig Roberts - Geschlagen von den Taliban beschließt Washington, es mit Russland und China aufzunehmen
  > Paul Craig Roberts - Ein Konflikt mit China wird gebraut
 
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